Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
›Oh, ja, Moussu! Mit Euch ist es anders. Ihr seid so gütig, so sanft und liebreich, daß der Umgang mit Euch höchst angenehm ist.‹ Worauf er wieder lachte, doch plötzlich die Hand an sein Herz preßte und verhalten aufschrie wie ein verletzter Vogel. Dann schwanden ihm die Sinne, und er wäre zur Erde gefallen, hätte ich ihn nicht gestützt. Ach, warum haben meine schwachen Arme ihn nicht in diesem Leben zurückhalten können!«
»Zara, mein schönes Kind, weine nicht!« rief Gertrude du Luc, welche ihrer Kammerjungfer sehr zugetan schien. Sie nahm darauf Zaras zarte Hände in ihre kräftigen Normanninnenhände und fügte hinzu: »Trockne deine Tränen, die dir nur die Augen verderben! Hast du nicht in mir eine neue Herrin und Freundin?«
»Oh, Madame!« erwiderte Zara, ihren schlanken, anmutigen Leib wiegend, »ich bin Euch ganz ergeben, wie Ihr wohl wißt.«
Doch bei diesen Worten richtete sie ihre von den Tränen glänzenden Augen schmachtend auf Giacomi, den ihre Schönheit, wie sie wohl ersah, geradewegs ins Herz getroffen hatte, welchen Treffer der Maestro mit all seiner Fechtkunst nicht hatte abzuwehren vermocht. Und daß Zara so viele Dinge gleichzeitig tun konnte: ehrliche und aufrichtige Tränen über den armen d’Ássas vergießen, ihrer Herrin schmeicheln und ihre Netze nach Giacomi auswerfen, erstaunte mich nur so lange, bis ich dies katzenhafte Weib, das ein so gutes Herz besaß, besser kennengelernt.
Zara kam also zu unserer Tischgesellschaft hinzu, wodurch sich unsere Zahl auf sieben erhöhte. Gertrude du Luc wollte, sich ihre langen Beine zu vertreten, mit uns zu Fuß durch die Straßen gehen und ordnete an, daß ihre Kutsche uns folge, in welche Zara unter dem Vorwand eines verletzten Fußes einsteigen durfte. Dies wiederum betrübte Giacomi gar sehr, welchem die Höflichkeit verbot, sich ihr anzuschließen, konnte er doch der Dame seinen Schutz nicht versagen, welche in unserer Mitte unter Degengeleit dahinschritt, denn da es Nacht geworden, während ich meinem Kummer nachgehangen, hatten wir blankgezogen, sobald wir in die Rue de la Ferronnerie hinausgetreten waren.
»Oh, wie beruhigt es mich«, rief Gertrude bei dem Geräusch, mit dem unsere Klingen aus den Scheiden fuhren, »so große Degen zum Schutze meines kleinen Leibes um mich zu sehen!«
Ihres kleinen Leibes! wie wenig traf dies die Wirklichkeit, denn er war hochgewachsen, wohlgestalt und mit den allervollkommensten Rundungen geziert. Da ich meine Gertrude kannte, wußte ich nur zu genau, welche Befriedigung es ihr verschaffte, daß wir sie solcherart mit gezogenen Klingen geleiteten. So schwieg sie eine lange Zeit, ganz ihren wonnigen Träumen hingegeben, bis ich schließlich zu ihr sprach:
»Liebste Freundin, so diese Kutsche, wie ich vermeine, Euch gehöret, würde ich Euch gern mit unseren Rössern nach Montfort-l’Amaury begleiten und letztere dort einem Ackersmann anvertrauen, daß er sie auf seiner Wiese weiden lasse, ohne mir das Fell über die Ohren zu ziehen wie Meister Recroche.«
»Und wie wollt Ihr nach Paris zurückkehren?« fragte Gertrude, sich auf meinen Arm stützend, denn sie trug wie gewöhnlich Schuhe mit gar hohen Hacken, welche ihr das Gehen auf dem unebenen Pflaster erschwerten.
»Nun, mit Euch, in Eurer Kutsche, wenn Ihr zurückfahrt, an der königlichen Hochzeit teilzunehmen; denn nach den Festlichkeiten – dies ist mein unabänderlicher Entschluß – werde ich Paris verlassen, ob der König mir seine Gnade gewährt oder nicht, und kann Euch dann wiederum, so es Euch beliebt, in Eurer Kutsche bis Montfort begleiten.«
»Mein Herr Bruder«, erwiderte sie, sanft meinen Arm drückend (sie konnte sich nicht enthalten, mit einem jedenMannsbild schönzutun, das in Reichweite ihrer Geschütze kam), »ich wäre überglücklich, in Begleitung einer so trefflichen Eskorte schöner und tapferer Männer zu reisen.«
Und so geschah es dann auch. Doch der Lauf des Schicksals ist so unerforschlich, daß ich bis auf den heutigen Tag nicht sagen kann, ob es klug oder unklug war, als guter Hugenott meinen Beutel zu schonen – wie es gewißlich auch die Herren Brüder an meiner Stelle getan hätten – und meine Gäule in Montfort zu lassen, so daß ich dann ganz ohne Reittier dastand, als in der Nacht des 24ten August die Glocke ertönte, welche das Volk von Paris zu dem Gemetzel an den Unseren rief. Auf den ersten Blick mag es wie ein Vorteil ausgesehen haben, wenn ich meine Pompea bei mir gehabt hätte,
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