Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
doch hätte ich dann die Gelegenheit finden müssen, mich auf sie zu schwingen, ehe die Tore der Hauptstadt sich vor den Verfolgten schlossen – solches Glück hatte mein Vetter Geoffroy de Caumont, Seigneur de Castelnau et des Milandes, welcher sich in höchstem Galopp aus der Stadt retten konnte und dann über Montfort nach Chartres sprengte, wo ihn der dortige Vitzdom in Sicherheit brachte. Aber nachdem die Tore von Paris geschlossen und verriegelt und die Ketten über die Brücken gespannt waren, wäre mancher Hugenott gut beraten gewesen, sich zu Fuß, unter das gemeine Volk gemischt, in eine der Vorstädte zu begeben, denn die Wachsoldaten an den Toren und Brücken achteten mehr auf die Reiter denn auf das einfache Volk.
Ehe ich Paris am 12ten im Morgengrauen mit der Dame Gertrude du Luc verließ – Meister Recroche zog ein langes Gesicht, da er mich nun nicht mehr jeden Tag um vierzehn Sols für meine Gäule schröpfen konnte –, führte mich Alizon auf meine heimliche Bitte zu einem ehrlichen Juden, bei dem ich meine echten Perlen gegen die gleiche Anzahl falscher eintauschte (welche den echten vollkommen glichen und die Alizon sogleich an mein Wams nähte, nachdem sie die anderen schon abgetrennt hatte). Dieser Handel, bei dem es nicht ohne langes Feilschen abging, hatte mir dreihundert Dukaten eingebracht, welche zusammen mit den zweihundert des Herzogs von Anjou meinen Beutel gehörig anschwellen ließen. Einen guten Teil davon vertraute ich meinem Samson in Montfort an, wohl wissend, daß es leichter wäre, Gott zu bitten, noch einmal die Wasser des Meereszu teilen, daß man trockenen Fußes hindurchschreiten könne, als Samson zu bewegen, seinen Säckel zu öffnen. Ich war es zufrieden, daß er die Aufbewahrung meines kleinen Schatzes übernahm, denn ich hatte in diesen Dingen mehr Vertrauen zu ihm als zu mir selbst, der ich von Natur weniger zurückhaltend bin in meinen Ausgaben wie in meinen fleischlichen Gelüsten, obzwar ich mich zu Paris – ohne dessen zufrieden zu sein – in Keuschheit geübt hatte. Diese Art von Gedanken erinnerten mich daran, daß ich der Gavachette den güldenen Ring kaufen müsse, welchen ich ihr bei meinem Aufbruch von Mespech so leichtfertig versprochen. Ich schickte Miroul unter dem Vorwand, er solle Samson unsere Bündel schnüren helfen, in unser Quartier zurück, denn ich wollte nicht, daß mein trefflicher Diener mich von neuem foppte wegen meiner übermäßigen Großzügigkeit für eine Magd, welche sich aller Hausarbeit entzog und seines Bedünkens kein Lichtstümpfchen wert war. Ich begab mich also, nur von Alizon begleitet, zu dem Goldschmied, den sie mir genannt, doch geriet ich dabei nur von der Scylla in die Charybdis, denn meine kleine Teufelswespe überschüttete mich sogleich in ihrer lebhaften, flinken Redeweise mit vielen Fragen und erregte sich gar sehr, daß ich einer einfachen Hausmagd einen so teuren Schmuck schenken wollte.
»Fünfzehn Dukaten!« empörte sie sich, als ich mit dem Ring in meinem Säckel den Laden verließ, »fünfzehn Dukaten für ein Frauenzimmer, dessen einzige Arbeit darin besteht, für einen hübschen Edelmann bereitzuliegen! Fünfzehn Dukaten, heiliger Himmel, das ist genausoviel, wie ich im ganzen Jahr der Amme zahle, die meinen kleinen Henriot säugt. Und Ihr wißt, wie sauer ich das nach des Tages Arbeit verdienen muß in den Badestuben, mit Kerlen, welche mir wenig gefallen und meine Nächte verkürzen. Fünfzehn Dukaten! Heilige Jungfrau, wo bleibt da die Gerechtigkeit?«
»Schweig still, Alizon!« sprach ich. »Ein Frauenzimmer, welches jetzt vielleicht damit beschäftigt ist, mir ein Kind zu erschaffen, verdient schon eine Aufmerksamkeit.«
»Wie! hochgelehrter Herr Doctor!« rief sie, »gebraucht sie etwa nicht die Kräuter, welche Ihr mir gabet und auch Babette versprachet?«
»Doch, doch, aber sie will ein Kind, damit sie nichts anderes auf Mespech zu tun braucht, als selbiges zu säugen.«
»Was!« erwiderte sie wie im Zorn, »wird denn das Kind im Schloß aufgezogen?«
»Gewiß, wie mein Halbbruder Samson. Sollten wir es mit seiner Mutter davonjagen, wo es doch unser Fleisch und Blut ist?«
»O nein! Das ist sehr ehrenhaft! Aber wenn ich ihr Schicksal mit dem meinen vergleiche, läuft mir die Galle über: ich ständig von Mühe und Arbeit geplagt, und dieses Zigeunerweib glücklich wie eine Kuh, welche unter der warmen Sonne des Périgords bis zum Bauch im fetten Grase steht! Heilige Jungfrau! Jeden Tag,
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