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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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nie getan. Unsere Herrin liebt das Leben viel zu sehr. Dies ist eine Kriegslist, ihren Vater zum Nachgeben zu zwingen.«
    Es klopfte, und in mein enges Kämmerchen trat Giacomi, höchstlich erstaunt, uns alle dergestalt versammelt zu sehen, halb weinend, halb lachend einander in den Armen liegend. Dame Gertrud du Luc, nachdem sie mich aus der Asche auferstehen sah, nunmehr bemüht, ihrem Samson die Tränen zu trocknen, und mit ihrem Reifrock das Gedränge noch vermehrend, denn er allein nahm mehr Platz ein als zwei oder drei Männer von der Statur Fogacers, welchselben ich ungesäumt Giacomi vorstellte, höchst verwundert, wie sie sich in ihrem hohen Wuchs, ihren langen Beinen und schier endlosen Armen glichen, indes sie in der Physiognomie gar unterschiedlich waren: der Medicus ganz mephistophelisch, der Maestro hingegen freudestrahlend. Sie wechselten einen schnellen, lebhaften Blick, um sich gegenseitig abzuschätzen und zu beurteilen, wonach ein jeder den anderen so hinnahm, wie er war – ein seltener Vorgang in diesem unduldsamen Jahrhundert.
    »Meine lieben Freunde«, rief ich, »nach dieser Aufregung sterbe ich schier vor Hunger und Durst, und ich zweifle nicht daran, daß auch Euer Magen zu dieser späten Stunde leer ist. Ich lade Euch alle zu einem guten Mahle bei dem Wirte Guillaume Gautier!«
    »Ich bin aber nicht allein«, sprach Gertrude, sich von der Bettstatt, worauf sie meinen Samson getröstet, erhebend, so daß ihr weiter Reifrock uns an die Wände drückte. »Auf meinem Wege von Rom, wo ich den Ablaß, nach dem meine Sünden heischen, erwirkt und wo meine Kammerjungfer mich verlassen, um bei einem reichen und wohlbegüterten Domherrn in Dienst zu gehen, gelangte ich auch nach Montpellier, allwo ich erfuhr, daß ein berühmter Medicus gerade gestorben war, bei welchem eine hübsche, stattliche Jungfer in Dienst gestanden, von der man nur Gutes zu sagen wußte. Ich suchte sie auf und …«
    »Wie hieß der Medicus?« unterbrach Fogacer ihre Rede.
    »Doctor Salomon, genannt d’Ássas.«
    »Was!« rief ich, »Zara! Zara ist Eure Kammerjungfer?«
    In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, und noch ehe ich »Herein« rufen konnte, erschien Zara auf der Schwelle (was beweist, daß sie sich in Hörweite befunden haben muß), hochgewachsen und geschmeidig, voller italienischem Charme, den Madonnenkopf auf dem grazilen Hals anmutig geneigt, die großen grünen Augen von einem zum andern gleiten lassend, um zu sehen, welche Wirkung ihre Erscheinung tat, dabei von so würdevoller Aufführung, daß man sie eher für eine Prinzessin von Geblüt denn für eine Kammerjungfer gehalten hätte.
    »Madame«, sprach sie mit einem nur angedeuteten Knicks, denn für mehr war kein Platz, »zu Euern Diensten.« Und indes sie in das Kämmerchen trat, mußten wir noch enger zusammenrücken, obgleich ihr Reifrock nicht so weit wie der ihrer Herrin war.
    Ob nun aus Ursache dieser großen (jedoch nicht unangenehmen) Enge oder des überwältigenden Eindrucks ihrer blendenden Schönheit – alle standen schweigend in der Runde, und alle, außer Fogacer, waren wie verzaubert, am meisten Giacomi, dessen Augen schier aus den Höhlen traten, so eindringlich betrachtete er die schöne Jungfer.
    »Welch große Freude«, sprach ich endlich, »dich wiederzusehen, Zara! Doch wie schmerzt es mich, zu hören, daß der gute d’Ássas das Zeitliche gesegnet hat! War es dir schon bekannt, Fogacer?«
    »Ich wußte es«, erwiderte Fogacer, der alles wußte, »doch ich habe dir nichts gesagt,
mi fili
, wohl wissend, daß d’Ássasdir dasselbe war, was Rondelet mir in meinen Jugendjahren: ein Meister und Freund.«
    »Oh!« sprach Zara, und ihre wunderschönen Augen füllten sich mit Tränen, »ebendas war er auch für mich. Und wie plötzlich schied er aus dieser Welt. Eines Abends erging sich der ehrwürdige Doctor gesund und munter in seinem Weingarten zu Frontignan, und seinen Arm mir um die Hüfte legend, sprach er: ›Von den drei Dingen, die mir am liebsten auf der Welt, nämlich die Schüler, mein Weingarten und meine Zara, habe ich hier gleich zwei um mich.‹ – ›Aber Moussu‹, rief ich, ›warum nennt Ihr mich an letzter Stelle?‹ – ›Weil du mich eines Tages verlassen wirst, Zara, um einem Manne vor dem Altar die Hand zum Ehebund zu reichen.‹ – ›Wo denkt Ihr hin, Moussu!‹ entgegnete ich. ›Ich werde niemals heiraten, denn ich mag die Mannsbilder nicht.‹ – ›Aber mich magst du?‹ fragte er lachend. –

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