Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
den Gott werden läßt, bete ich zu ihm, daß er mir das Leben ein wenig leichter mache, doch es zeigt sich kein Hoffnungsschimmer. Nähen und nochmals Nähen, der Hungerlohn dieses Geizhalses und die Badestuben! Baba, wie Recroche sagt. Die einen haben alles, die anderen nichts! Es mag vielleicht ketzerhaft sein, was ich sage, und der Herr wie auch mein Pfarrer mögen mir verzeihen, aber zuweilen denke ich, der Himmel muß mich Arme wohl vergessen haben in meinem dunklen irdischen Kerker.«
Giacomi begab sich nicht mit auf die Reise, denn er wollte seine Fechtstunden im Louvre nicht unterbrechen, und so waren wir nur drei, die unsere schöne Gertrude in ihrer Kutsche begleiteten und unsere fünf Gäule nach Montfort brachten, wo Meister Béqueret, wie ich gehofft, sogleich einen Bauersmann ausfindig machte, der sie für zwei Sols den Tag auf seiner Weide grasen ließ, ohne noch Geld für das Wasser des Baches zu fordern, womit er sie tränkte.
Unsere liebe Normannin war sehr betrübt, meinen Samson schon am 16ten wieder verlassen zu müssen, um wegen der königlichen Hochzeit nach Paris zurückzukehren. Doch wie hätte sie diese versäumen können, wenn alles, was in Frankreich an Adel zählte, zugegen sein würde? Und wie hätte sie darauf verzichten können, die prächtigen Kleider anzulegen, welche sie sich eigens für das große Ereignis hatte anfertigen lassen, von dem sie immer wieder sagte, daß es ganz einmalig sei in ihrem Frauenleben, bot es doch Gelegenheit, so viele Leute am Hofe zu sehen und von so vielen gesehen zu werden.
Miroul hatte zum Kutscher auf den Bock steigen wollen, doch Gertrude, wohl wissend, daß er für mich mehr war als nur ein Diener, hieß ihn, in der Kutsche neben Zara, also ihr undmir gegenüber, Platz zu nehmen. Miroul war höchstlich erfreut, mit uns und in so anmutiger Nachbarschaft zu reisen, so daß ich schon mutmaßte, er würde daraus seinen Vorteil ziehen wollen, doch sei es, daß er in den vergangenen drei Tagen von Dame Béquerets Hausmagd über Gebühr in Anspruch genommen worden, mit welcher er schon bei unserem ersten Aufenthalt angebändelt hatte, sei es, daß Zaras blendende Schönheit ihm den Mut benahm oder er mir, da er mich für selbige empfänglich wußte, nicht ins Gehege kommen wollte – er saß die ganze Reise über sittsam wie ein Kirchenheiliger in seiner Ecke, die Hände gefaltet, kaum ein Wort sprechend, die Lider über die schönen zwiefarbenen Augen gesenkt.
Ich selbst fühlte mich aufs allerwohlste im Halbdunkel der Kutsche (deren Vorhänge der Sonne wegen herabgelassen waren): neben mir spürte ich den weichen, wohligen Körper Gertrudes, indes die Reize Zaras mir das Auge erfreuten, welche in dem Bewußtsein, die Blicke ihrer Herrin und die meinen anzuziehen, sich in ihrer ganzen Anmut zeigte, munter mit ihrer lieblichen Stimme drauflosschwatzte und dazu die allerliebsten Gesichter machte, den grazilen Hals und die feinen Hände anmutig regte, welch letztere bald unversehens ihr Brusttuch ein wenig beiseite schoben, es bald mit einem erschreckten Blick wieder zurückzogen oder auch ihr langes Haar zu beiden Seiten des hübschen Gesichtes ergriffen, um es über dem Kopf zusammenzunehmen, eine Gebärde, welche trotz ihrer scheinbaren Unbewußtheit große Kunstfertigkeit in sich bergen mußte, erregte sie doch meine Sinne in nicht geringer Weise. Ich hütete mich indes, dies verführerische Wesen ohne Unterlaß zu betrachten, da ich nicht – wie es oft geschieht – die Annehmlichkeiten der Betrachtung gegen die Unannehmlichkeiten des Begehrens eintauschen wollte. So entschloß ich mich, die Augen zu schließen und Schlaf vorzutäuschen, doch unter dieser Tarnung träumte ich, wie schon tausendmal, süße Träume von meiner Angelina, welche mir meine wiedererstehende Hoffnung eingab und die ich hier nicht um den Preis eines ganzen Königreiches wiedergeben würde.
Ach, wie schmutzig und übelriechend erschien mir in der Augusthitze dieses Paris nach der reinen Landluft, welche ich zu Montfort geatmet. Gertrude wollte mich zu einer Abendmahlzeit in das Haus in der Rue Brisemiche einladen, welchessie schon vor drei Monaten angemietet, doch lehnte ich ab, denn ich fühlte mich meiner Tugend nicht sicher genug, welche auf dieser Reise schon so harter Prüfung unterzogen worden war. Ich bat sie also, mich in der Rue de la Ferronnerie abzusetzen, was sie nicht ohne Widerrede tat und unter so viel Herzen, Küssen und Kosen, daß nur der Gedanke an meinen
Weitere Kostenlose Bücher