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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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armen Samson hinter Meister Béquerets Apothekergefäßen mir Kraft genug gab, mich von dieser Flut nicht hinwegtragen zu lassen. Als ich nun aus der Kutsche ausgestiegen, fühlte ich mich ganz benommen von diesem stürmischen Abschied und auch ganz schmutzig und schweißig von der Reise, so daß ich beschloß, mich in den Alten Badestuben der Rue Saint-Honoré zu erfrischen, wohin mich Miroul meiner Sicherheit wegen begleitete, jedoch an der Schwelle umkehrte, nachdem ich ihm versichert, daß ich die Nacht hier zu verbringen gedächte.
    »Ei, schöner Edelmann!« sprach die Baderin, welche inmitten ihrer Fettmassen am Eingang thronte, indes ihre Augen lebhaft aus den tausend Fältchen ihrer Lider blinzelten, »ich erkenne Euch wieder an Euerm frischen Gesicht, so prächtig Ihr auch aussehet in Eurer pariserischen Ausstaffierung. Die Mode wandelt sich schnell, doch nicht so schnell, als daß Ihr sie nicht eingeholt hättet. Gnädiger Herr, wünschet Ihr wieder in separater Kammer zu baden und auch hier zu schlafen und zu essen?«
    »Gewiß, Gevatterin.«
    »Holla, Babette! Ein Bade- und ein Zubertuch für diesen schönen Edelmann! Gnädiger Herr, wünschet Ihr auch, daß Euch das nachgewachsene Haar geschoren werde?«
    »Nein, ich will es in Zukunft wieder so tragen, wie es wächst.«
    »Nun«, erwiderte die Baderin, »dies ist eine Frage des Geschmacks bei unseren galanten Damen. Die einen wollen ihre Kavaliere so glatt wie ihre Kammerjungfern, die anderen bevorzugen sie behaart wie in alten Zeiten. Begehret Ihr«, so fuhr sie leise fort, »Gesellschaft, auf daß Euch die Stunden der Nacht weniger lang werden, wenn der Schlaf sich nicht einstellt?«
    »Mitnichten, Gevatterin«, antwortete ich, »denn mir steht der Sinn nicht danach, mein Geist ist mit anderem beschäftigt.«
    »Nun«, sprach die Baderin mit ihrer matten Stimme, »der Appetit kommt beim Essen.«
    Und wenn man sie in ihrer ungeheuren Leibesfülle dasitzen sah, so konnte man gewißlich kaum zweifeln, daß dies wahr gesprochen war.
    »Aber man muß erst einmal anfangen zu essen«, entgegnete ich lächelnd, »und heute abend geht mir zu vieles im Kopf herum, als daß ich dazu geneigt wäre.«
    »Wenn ich es recht bedenke«, sprach da die Baderin mit heuchlerischer Miene, »dann ist es vielleicht besser so für Euch, gnädiger Herr, denn Alizon, die Euch gar wohl gefällt, ist für heut nacht einem Mylord versprochen.«
    »Was!« rief ich, wie von der Tarantel gestochen, »ist sie schon bei ihm?
    »Nein, sie ist für die achte Stunde bestellt.«
    »Dann macht das Versprechen rückgängig und schickt sie zu mir.«
    »Dies kann nicht geschehen«, erwiderte die Baderin mit einem schlauen Blick aus den kleinen Augen inmitten der vielen Falten. »Da der Mylord kein Franzose ist, zahlt er doppelten Preis.«
    »Dann werde ich das Dreifache zahlen«, sprach ich mit kühler Miene, wohl wissend, wohin ein solch gefährlicher Handel führen könne.
    »Das Dreifache«, entgegnete die Baderin, »reicht nicht aus.«
    »Gevatterin«, sprach ich mit finsterem Blick, »steiget nicht in die Wolken mit Euerm Preis! Dahin würde ich Euch nicht folgen.«
    »Gemach, gemach!« sprach sie, »erzürnet Euch nicht! Doch bedenket: dieser Mylord findet gar großen Gefallen am Beisammensein mit Eurer holden Alizon, und ich werde ihn als Badegast verlieren, wenn ich ihn nicht zufriedenstelle.«
    »Und mich werdet Ihr verlieren, wenn Ihr zuviel verlangt.«
    »Also laßt uns nachdenken!« ließ sie sich vernehmen, indes ihre Augen fast hinter den Falten verschwanden. »Euch ist an Alizon gelegen, und Alizon an mir, da sie mein Geld braucht, ihren kleinen Henriot aufzuziehen. Überdies bin ich nicht ohne Gewissen: ich habe Alizon dem Mylord versprochen, und Versprechen soll man halten. Dies ist mein Leitsatz. Mich davon abzubringen, braucht es mindestens einen Dukaten.«
    »Einen Dukaten!« rief ich in höchster Verblüffung. »Einen Dukaten, um Euer Gewissen zu beruhigen! Einen Dukaten anstattsechs Sols? Gevatterin, da laßt Ihr Euern Preis aber in den Himmel schießen! Und wieviel von diesem Dukaten bekäme Alizon?«
    »Nicht mehr und nicht weniger als drei Sols«, gab die Baderin wie selbstverständlich zur Antwort.
    »Sapperment!« schrie ich da arg erbost. »Ist das Gerechtigkeit? Laßt Euch gesagt sein: in Eurer Gier, alles zu gewinnen, lauft Ihr Gefahr, alles zu verlieren: sowohl den Mylord und mich als Badegäste als auch Alizons Dienste. Dafür werde ich ungesäumt

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