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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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sorgen!«
    Worauf ich ihr in höchstem Grimme den Rücken und die Fersen zukehrte und die Badestuben stracks verlassen wollte, als sie mit ihrer dünnen, keuchenden Stimme, welche sich nur mit Mühe einen Weg durch all das Fett zu bahnen schien, mir zurief:
    »Dreißig Sols.«
    »Angewidert von diesem schmutzigen, schandbaren Schacher um menschliches Fleisch, bei dem ich ein Würgen im Halse verspürte, kam ich zurück und warf ihr dreißig Sols auf den Tisch, um dann ohne ein Wort Babeau nachzufolgen, welche, die Tücher vor die Brust gepreßt, wartend dagestanden hatte. Es gelüstete mich in der Tat gar sehr, vor meiner Abreise, die ja in Bälde erfolgen sollte (jedoch ganz anders, als ich gedacht), meinen Leib zu säubern und noch einmal mit der armen Alizon nach Herzenslust zu schwatzen.
    In meinem noch unbesänftigten Zorne blieb ich stumm wie ein Fisch, indes Babeau mich entkleidete und mir, nachdem sie mich zum Zuber geführt, die Glieder seifte, wie ich bereits beschrieben.
    »Ei, mein edeler Herr!« sprach schließlich die freundliche Babeau, »es bringt keine Freude und Vergnügen, wenn man grimmigen Sinnes im Bade sitzt. Machet Euch doch nicht soviel Sorge ob einer Welt, deren Lauf es ist, daß der Große den Kleinen verschlingt. Vermöget Ihr es zu ändern? In unserem Dorfe sagt man, es gibt keine guten Herren, nur solche, die weniger schlecht als andere sind. Man muß sie nehmen, wie Gott sie macht.«
    »Weißt du, Babeau«, sprach ich, noch immer ergrimmt, »daß ich dich ganz verdorben, weil ich dir letztes Mal einen Sol gegeben?«
    »Und ob ich das weiß! Heilige Jungfrau, man hat es mir oft genug vorgehalten! Ich war ja so töricht, mich mit diesem Sol vor Ihr wißt wem zu brüsten.«
    »Dann tu es nicht wieder mit diesem hier«, sprach ich, als sie mir beim Verlassen des Zubers das Trockentuch umlegte. »Und in meinen Beinlingen wirst du die Kräuter finden, um die mich Babette gebeten.«
    »Oh, gnädiger Herr! tausend Dank von mir und von ihr!« erwiderte Babeau, die Münze in ihren Busen steckend. Und vor mir stehend, die drallen roten Arme vor den prallen Brüsten verschränkt, schaute sie mich freundschaftlich an, die Ärmste, welche sich mit ganzen zwei Sols Tagelohn bescheiden mußte und dabei so tüchtig zu Werke ging und so voller Lebensfreude war.
    »Alizon«, fuhr sie fort, »irrt also nicht, wenn sie sagt, daß Ihr, obwohl von Adel, liebenswürdig und herzensgut wie ein Engel seid.«
    »Sagt sie das?« sprach ich lachend, denn in den Gedanken, die mir kamen, da ich sie in ihrer drallen Weiblichkeit vor mir sah, neigte ich mehr zum Teufel.
    »Ja, das sagt sie, und noch viele andere Dinge«, erwiderte Babeau, »so sehr ist sie von Euch eingenommen. Monsieur, darf ich Euch jetzt verlassen? Ich habe einen anderen Badgast zu bedienen.«
    »Geh nur, Babeau.«
    Sie verließ mich also, nicht ohne mir einen Kuß auf die Wange gehaucht zu haben. Durch ihre Freundlichkeit besänftigt in meinem Grimme, legte ich mich auf das schmale Lager der Kammer nieder, dabei kam mir in den Sinn, was mein Vater bemerkt hatte, als zu Sarlat die Pest wütete, daß nämlich die Armen einen ganz urständigen Lebensmut hätten, welcher ihm höchst erstaunlich dünke. So auch Babeau, Alizon und Babette nebst vielen anderen einfachen Frauenzimmern und Mannsbildern, davon das Königreich voll ist, die wir aber kaum wahrnehmen, so sehr wird unser Auge angezogen von denen, die sich auf der Bühne der Welt spreizen, schön wie die junge Morgenröte, doch ebensowenig bedeutsam für den Lauf der Welt wie diese.
    Nachdem Babeau mich verlassen, fühlte ich mich, obgleich mein Leib vom frischen Wasser erquickt und erfrischt war,recht einsam in meinem Kämmerlein, während ich auf Alizon wartete und nicht einmal wußte, wie meine kleine Teufelswespe, die sich so schnell beleidigt fühlte, es aufnehmen würde, daß ich ein zweites Mal ihre Nacht gekauft. Und indes ich den Gedanken, daß sie sich vielleicht erzürnen könnte, aus meinem Kopfe vertrieb, machte ich mir andere Gedanken, welche auch nicht fröhlicher waren und große Kümmernis in mir weckten: der arme Doctor d’Ássas kam mir in den Sinn, dem ich in meinen jungen Jahren in Montpellier herzlich zugetan war und der aus dieser Welt geschieden, wie er darinnen gelebt: in Sanftheit und Mühelosigkeit, denn in allem hatte er ein leichtes und glückliches Los gehabt, so auch im Tode.
    Doch dies war wenig tröstlich für mich, denn insgeheim hofft ein jeder, der Sensenmann

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