Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
aus reiner Freude, den zweiten mit Traurigkeit gemischt, »welch schöner Anblick, Euch mit meinem Buben auf dem Arm zu sehen! Man sieht, daß Ihr Kinder über alles mögt. Ganz gleich, ob Eure Gavachette ein Knäblein oder ein Mägdelein zur Welt bringt, Ihr werdet ein guter Vater sein, und sie braucht sich wegen ihres Kindes nicht zu sorgen wie ich, die ich immer fürchte, einmal krank zu werden, so daß ich des Tags nichts bei Recroche verdienen kann und des Nachts nichts in den Badestuben. Und wenn ich gar sterben sollte, erschöpft von der vielen Arbeit und dem wenigen Schlaf, was würde dann aus meinem armen Henriot?«
»Alizon«, sprach ich, »da soll Vorsorge getroffen werden!«
Und den kleinen Henriot noch immer im Arm, ging ich die Kammertür schließen, trat dann ganz nahe an sie heran und sprach mit so leiser Stimme, daß mich keiner der Nachbarn hören konnte:
»Feins Lieb, ich bin dir gar herzlich zugetan und auch deinem Kindelein. Ich will nicht, daß du noch länger deinen Leib in den Badestuben verkaufst, worüber du gar große Scham empfindest, ganz zu schweigen von der Lustseuche, welche du dir dort holen könntest. Deshalb will ich dir fünfzehn Dukaten verehren, womit du die Amme ein ganzes Jahr zahlen kannst.«
»Was!« rief sie, doch ebenfalls mit leiser Stimme, »fünfzehn Dukaten!« Aber sie konnte nicht fortfahren, denn es klopfte an der Tür, und die Nachbarin trat ein mit den zwei Kerzen, nach denen der kleine Henriot sogleich die Händchen ausstreckte, und da er sie nicht zu erreichen vermochte, fing er ganz laut zuschreien an, so daß ich recht froh war, ihn wieder der Nachbarin geben zu können, welche mit ihm zur Stube hinausging, Alizon und mich mit anzüglichen Blicken bedenkend, da ich die Tür schloß.
Ich zählte Alizon die fünfzehn Dukaten in den Schoß, und sie blickte mich in stummem Erstaunen an (hatte sie doch in ihrem ganzen Leben eine solche beträchtliche Summe Geldes noch nie gesehen) und vergaß darüber ihren neuen Rock, der ihr doch so am Herzen lag, als wäre die königliche Hochzeit ein Ersatz für jene andere, welche der Vater des kleinen Henriot ihr so lügnerisch versprochen.
Nachdem indes dieser Schatz in einem Säckchen verstaut und dasselbe in ein Loch in der Wand gesteckt, welches mit einem Ziegel verschlossen ward, bemerkte ich, daß sie in ihrem Innersten gar heftig schwankte, ob sie sich nun wieder ihrer eiligen Näharbeit zuwenden oder aber mir ungesäumt ihre Dankbarkeit erweisen solle, und da ich am Ende auch als Mann begriff, wie wichtig ihr im Augenblick das Kleidungsstück war, so daß selbst unsere Umarmung erst an zweiter Stelle kam, verabschiedete ich mich unter dem Vorwand, Giacomi erwarte mich auf der Straße. Beim Gehen warf sie mir aus ihren schwarzen Augen einen Blick so voller Liebe zu, daß ich noch heutigentags nur die Lider zu schließen brauche, um mich dieses Blickes wieder zu erinnern und in meinem Herzen davon gerührt zu sein.
Als ich auf die Rue Tirechappe hinaustrat, war ich erstaunt, so viele Leute zu sehen, da doch die Pariser, sobald die Sonne sinkt, sich für gewöhnlich eiligst in ihre Behausungen zurückziehen, die Straße allerlei lichtscheuem Gesindel überlassend. Doch heute war man hier eifrigst damit beschäftigt, im Lichte einiger Fackeln einen Triumphbogen aus Holz zu errichten, welcher mit Zweigen, Blumen und Girlanden geschmückt ward, geradeso als käme der königliche Hochzeitszug direkt hier vorbei, was gewißlich nicht der Fall war, denn sein Weg führte ja vom Louvre zu Notre-Dame.
»Welch schöner und solider Bau!« sagte ich zu einem großen, kräftigen Kerl in Hemdsärmeln, der sich schwitzend mühte, die Hölzer durch Nägel miteinander zu verbinden, »doch bedeutet es nicht viel Mühe und Kosten für einen Triumphbogen, welcher nur einen Tag lang stehen wird?«
Bei diesen Worten bemühte ich mich, die flinke und lebhafte Sprechweise der Pariser nachzuahmen, wohl wissend, daß hier einer, der aus dem Süden kommt, schnell als Ketzer verdächtigt wird.
»Keineswegs, mein edler Herr!« erwiderte der Mann höflich, »der Triumphbogen bleibt eine gute Woche stehen, auf jeden Fall bis Sankt Bartholomäus, um sowohl der Prinzessin Margot zu huldigen als auch den Heiligen zu ehren. Und was die Kosten und die Mühe angeht, so werden sie gerecht geteilt: die Bürger der Straße kommen für das Holz und die Eisenbeschläge auf, die Handwerksleute übernehmen die Arbeit der Errichtung.«
Von der Rue
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