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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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wohlangesehen bei Hofe ist, daß er seinem Glück förderlich sein könnte.«
    Da Silvie, mit dem Degen salutierend, ihm bedeutet hatte, daß er ihn zu einer Fechtübung erwartete, verließ mich Quéribus, jedoch nicht ohne eine freundschaftliche Umarmung. Den Degen gezogen und das Wams bereits abgelegt, ließ er mich dann noch einmal schwören, alle Mahlzeiten mit ihm einzunehmen, denn er wolle mich den ganzen Tag nicht missen. Und indes ich ihm zusah, wie er den Degen mit jener Eleganz handhabte, die aus kunstvoller Bändigung der Kraft entspringt, war ich aufs höchste gerührt von seiner schier unersättlichen Freundschaft und gleichzeitig verwundert ob seiner Lauheit in Sachen der Religion.
    Gewißlich hätte er es für verächtlich erachtet, ein Gottesleugner zu sein wie Fogacer, zumal er ein solcher nicht aus Wissen und Überzeugung hätte sein können, da er außer Ronsard nichts gelesen. Doch wäre es einem wirklichen Gläubigen in den Sinn gekommen, so leichtfertig und in so spöttischem Ton die ewige Verdammnis Monsieur de Montcalms gegen dessen weltliches Fortkommen aufzuwiegen?
    Exemplo plus quam ratione vivimus.
1 Katharina, die eigentliche Herrscherin im Reich seit dem Tode Heinrichs II., war ohne jeden Glaubenseifer. Als Nichte eines Papstes, der so verlogen war, daß ihm niemand glaubte, auch wenn er die Wahrheit sprach, war dieser Machiavelli im Weiberrock wohl von einem Übel befallen, welches nicht treffender als mit dem Worte »Freigeisterei« zu bezeichnen war und das, von ihr ausgehend,den ganzen Hof erfaßt hatte. Katholizismus oder reformierte Religion – für Katharina war alles eins. Um den Kardinal von Bourbon zu bewegen, die Hochzeitsmesse am 18ten August zu zelebrieren und Margot mit Navarra zu vereinen, erfand sie ein Schreiben ihres Botschafters beim Papste, in welchem fälschlich mitgeteilt ward, der Heilige Vater habe seine Einwilligung in diese »widernatürliche« Verbindung gegeben. Es war ein offenes Geheimnis, daß Katharina sich den Teufel um das Ketzertum ihres künftigen Tochtermannes scherte, so daß die Pfaffen und das Volk von Paris in ihrem Haß auf diese »schandbare« Verbindung sie nur »Jesabel« nannten, aufs übelste beschimpften und an den Galgen wünschten. Nicht in Verteidigung einer Religion, die ihr so gleichgültig war wie der Apfel dem Fisch, sondern aus politischer Berechnung, um ihre persönliche Macht gegen Coligny zu bewahren, ward sie durch eine unvorhersehbare Verkettung der Umstände von dem Mord an einem Mann zu dem schändlichsten Blutbad in unserer Geschichte getrieben. Als Navarra, nach der Bartholomäusnacht gezwungen, seinem Glauben abzuschwören, zum ersten Mal zur Messe ging, lachte Katharina, den fremdländischen Gesandten zugewandt, über das ganze Gesicht, als wäre die schreckliche Apokalypse, welche das Königreich in der Nacht des 24ten August erlebte, in ihren Augen nur ein Possenspiel und der mit Gewalt erzwungene Religionswechsel eines Königssohnes eine große Belustigung.
    Meinem lieben Quéribus waren – Gott sei’s gedankt – solche Ungeheuerlichkeiten fremd, doch da er, an diesem Hof geboren, dessen Gleichgültigkeit in Glaubensdingen besaß, fand er nichts Schlimmes dabei, das Seelenheil Monsieur de Montcalms gegen das Amt eines Seneschalls zu verkaufen. Zudem erfuhr er hier, wo er durch den Zufall seiner Geburt lebte, so viele Dinge über so viele Leute, daß er auch die Wünsche von Angelinas Vater kannte, obgleich er den niemals zu Gesicht bekommen! Darin besteht, so dachte ich bei mir, die Überlegenheit der hohen Herren, welche im Louvre direkt unter den Strahlen der königlichen Sonne leben. Sie glauben nicht, was der gemeine Mann glaubt; sie wissen, was er nicht weiß. Und welche unendlichen Vorteile sie aus beidem, dem Nichtglauben und dem Wissen, ziehen, vermag man sich gewißlich zu denken.
    In seiner Seele war mein Quéribus ein Stutzer und, wenn ich mich hier zu seinem Richter aufwerfen will, eitel und großtuerisch, befleißigte sich der gezierten Sprache des Hofes und war – wie mich deuchte – ein rechter Schürzenjäger. Doch hatte er ein gütiges Herz und war von seiner Sinnesart her weniger leichtfertig und unbesonnen, als es auf den ersten Blick schien, denn jenen Brief an Monsieur de Montcalm, welchen ich zuerst nur als ein leeres Versprechen ansah, als unverbindliches Hofgeplauder, ein morgendliches Kompliment, das am Abend vergessen ist, hat mein lieber Baron tatsächlich geschrieben (wenn auch mit

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