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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Bankette, Tanzvergnügen und andereFestlichkeiten. Ich war überall dabei, und da ich mich hier nicht verstellen will (wie der Leser wohl weiß), möchte ich sagen, daß ich mich dabei – meinem Alter und meiner Sinnesart entsprechend – höchstlich vergnügt hätte, wäre nicht in den Becher jener Freuden manch bitterer Tropfen für die Anhänger meines Glaubens gefallen. Denn die angebliche Versöhnung kam nicht von Herzen, im Gegenteil! Wie man noch sehen wird, begegneten uns die Papisten nur mit Falschheit, mit Spott- und Schmähreden, mit versteckter Verachtung.
    Den 20ten August führten die Großen des Königreiches auf einem riesigen Schaugerüst vor dem Hôtel du Petit Bourbon ein Gebärdenspiel auf, das uns gewaltig gegen den Strich ging. Eine Handvoll ehr- und gottvergessener Ritter – Navarra, Condé, La Rochefoucauld – griffen das Paradies an, von zwölf anmutigen Nymphen dargestellt, darunter Margot und Maria von Kleve, Condés Eheweib, welche der Herzog von Anjou mit leidvoller Liebe verfolgte. Es erschienen sodann drei Engel: der König, Anjou und Alençon, welche die Bösen überwältigten und in die auf der linken Seite des Gerüstes eingerichtete Hölle stürzten, wo bengalische Feuer schwefligen Rauch verbreiteten. Danach tanzten die Engel eine gar lange Zeit mit den Nymphen, indes eine Horde Teufel die Gefangenen quälte und peinigte, welche am Ende auf Fürbitten der Schönen, nicht etwa aus eigener Kraft, Verzeihung und Erlösung erlangten – ein Schluß, der in seiner übertriebenen Milde die Ehrenrührigkeit dieses gleichnishaften Schauspiels nur noch steigerte.
    Am 21sten kam es noch schlimmer. Wilde Türken, wie selbstverständlich dargestellt von Navarra und Condé, welche in einer grotesken Verkleidung steckten, fielen über Amazonen her, die vom König und seinen Brüdern mit nackter Brust gespielt wurden und welche, obwohl sie hier Weiber waren, die Angreifer im Handumdrehen überwältigten.
    Denselbigen Tag begleitete ich Gertrude du Luc auf ihr inständiges Bitten zur Predigt von Pater Victor, dessen Ruhm bis in ihre heimatliche Normandie gedrungen war. Der Pater war ein Mann von hohem Wuchs, und seine Stimme schien mehr dem Waffenhandwerk angemessen als der Kutte, die er trug. Mit den Fäusten auf sein Kanzelpult hämmernd, wetterte er zwei geschlagene Stunden gegen die königliche Hochzeit, diese gewaltige Gottlosigkeit, deren Strafe nicht nur »jene, diesie angebahnt« treffen werde, sondern das ganze Volk. Zum Schluß breitete Pater Victor die Arme aus, beugte den Kopf nach hinten, solcherart den Himmel betrachtend, als erwarte er von dort – gleichsam von allerhöchster Stelle – eine göttliche Eingebung, und schrie mit einer Stimme, die das hohe Kirchengewölbe zum Erzittern brachte:
    »Gott wird diese abscheuliche Verkuppelung nicht dulden!«
    Worauf die Gläubigen, die dies mit offenen Mündern und angehaltenem Atem gehört, mit beifälligem Murmeln antworteten, welches sich allmählich verstärkte und zu einem furchtbaren, unheimlichen Grollen anwuchs, das ich nur vergleichen kann mit dem einer Meute wütender Hunde, die mit gefletschten Zähnen wild an ihren Ketten zerren.

NEUNTES KAPITEL
     
    Am Abend dieses selben 21sten August lud mich Quéribus ein, ihn in sein Landhaus nach Saint-Cloud zu begleiten, allwo er sich in Gesellschaft von Dame du Luc und Zara ein wenig von der Sommerhitze erholen wollte; doch wiewohl mich die Ruhe und das Grün des platten Landes nach all dem Festgetümmel verlockte, wollte ich doch nicht mitfahren, denn nach der Predigt von Pater Victor hatte ich den Ballmeister Delay getroffen, welcher – wie man sich erinnern wird – mich wohl leiden mochte, da ich seinen Schwätzereien immer begierig zuhörte: sein Hofklatsch konnte hilfreich sein für mich, der ich ein Neuling im Louvre war, obgleich Quéribus das Gegenteil behauptete und meinte, so ich noch einen Monat in Paris bliebe, wäre ich ein vollkommener Hofkavalier.
    Kaum hatte der Ballmeister von meiner beabsichtigten Abreise erfahren, fragte er mich – denn er war sehr neugierig –, ob denn mein Aufenthalt zu Paris zu meiner Zufriedenheit ausgefallen sei.
    »Leider nein, Ballmeister«, antwortete ich mit einem Seufzer, »ich bin hierher gekommen, vom König Gnade zu erlangen, weil ich im Sarladischen einen Edelmann in ehrlichem Duell getötet. Doch der König, der mich seit der Geschichte mit dem Wams für einen Parteigänger des Herzogs von Anjou hält, will mich nicht

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