Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
davonmachen müssen, ehe die Falle zuschnappt! Und zwar ohne eine Minute zu verlieren: den Admiral in eine Sänfte legen, uns auf die Pferde schwingen und mit gezogenem Degen aus Paris hinaussprengen.«
»Den Admiral in eine Sänfte legen!« rief der sanfte, gutherzige Téligny, »bedenket Euch! Monsieur de Mazille, welcher als Papist hier nicht gehört werden kann, vermeinet, daß es große Gefahr bedeute, den Patienten hinwegzubringen und der Ansteckung durch die Luft auszusetzen!«
»Der Herr Admiral hat schon anderes überstanden«, entgegnete Monsieur de Guerchy. »Nach Moncontour befehligte er den ganzen Rückzug aus seiner Sänfte, da er durch eine Kugel an der Wange verletzt war.«
»Die Verletzung war nicht so schwer«, wandte Téligny ein.
»Ha!« sagte ich, »nie habe ich beobachtet, daß eine Wunde im Gesicht leichtzunehmen gewesen wäre.«
Welche Worte bewirkten, daß einer der anwesenden Edelleute, sich meines ärztlichen Standes erinnernd, sprach:
»Was vermeint Ihr, Monsieur de Siorac: kann der Herr Admiral von hier hinweggebracht werden?«
»Solches brächte gewißlich große Schmerzen und Gefahren mit sich, doch sollte man sich dazu entschließen, wenn sein Verbleiben in Paris eine noch größere Gefahr bedeutet.«
»Aber«, sprach Téligny mit Eifer, »wer könnte denn glauben, daß dem Admiral hier Gefahr drohe, wo er so hoch in der Gunst des Königs steht, welcher sich in seiner Güte sogar herabgelassen hat, ihn in seinem Hause aufzusuchen, um ihm Trost zuzusprechen?«
»Ich bin«, warf da mein Vetter Caumont ein, »nicht von mißtrauischer Sinnesart. Doch war mir nicht geheuer bei diesen großen Höflichkeitsbezeigungen. Das Ganze schien mir nur ein Schauspiel. Und ich erinnere mich, welch freundliches Gesicht Franz von Guise meinem älteren Bruder zeigte, ehe er ihn zwei Stunden später umbringen ließ.«
»Gemach, Caumont«, erwiderte Téligny, »der König ist nicht Guise! Ich kenne das Herz des Königs!«
Welche Worte alle Anwesenden in Verlegenheit brachte, sowohl ob ihrer offensichtlichen Einfalt als auch, weil keiner seinen Widerspruch anders als durch Schweigen zu zeigen wagte. Und lange währte dieses drückende Schweigen, an dem genau das von Gewicht war, was nicht gesagt ward.
»Meines Bedünkens«, sprach schließlich Jean de Ferrières, mit leiser Stimme, »sollten wir uns ungesäumt davonmachen!«
Wozu, wie ich wohl sah, die Mehrheit der Edelleute neigte, doch leider nicht die einflußreichsten, als da waren: der Tochtermann des Admirals und die beiden Prinzen von Geblüt, Condé und Navarra, insonderheit der letztere, welcher als Schwäher des Königs selbigem einige Rücksicht schuldete, worauf er nicht versäumte hinzuweisen.
»Paris zu verlassen«, sprach er mit seinem béarnesischen Akzent, »wäre nicht leicht für den Herrn Admiral. Wollte er den König um Urlaub fragen, so bekäme er ihn nicht. Würde er ohne Urlaub abreisen, so wäre das eine Beleidigung des Königs, welche nicht ohne Folgen bliebe sowohl für den Admiral als auch für den Frieden im Lande …«
Und für Navarra selbst, dachte ich bei mir; seine Lage am Hofe, wo er wie eine Geisel gefangensaß, würde zumindest unbequem werden, wenn die Hugenotten dem König die Stirn boten.
Ob seiner Stellung im Staate als auch seines persönlichen Ansehens blieben die Worte des Béarnesers nicht ohne Einfluß auf die anwesenden Edelleute, die davon gleichwohl nicht vollends überzeugt waren, so sehr schien der schreckliche Felsblock über unseren Köpfen, welcher uns zu vernichten drohte, zu wanken und zu schwanken.
»Laßt uns doch den Admiral befragen«, sprach schließlich Téligny, »anstatt weiter zu disputieren. Ist er nicht noch immer unser Oberhaupt?«
Worauf Jean de Ferrières mit einer Gebärde ohnmächtiger Resignation die Arme ausbreitete, so gewiß schien es ihm, daß der Admiral in starrer, heldenhafter Unerbittlichkeit bei seinem früheren Entschluß bleiben würde, da er im alltäglichen Leben nicht die bewundernswerte Geschmeidigkeit an den Tag zu legen vermochte, welche ihn im Kriege auszeichnete, allwo er seine höchste Meisterschaft entfaltete, wenn es galt, sich nach einer Niederlage dem Zugriff des Feindes zu entziehen, indem man fliehend zurückschlug.
»Aber der Admiral schläft doch«, wandte Guerchy ein, »und Mazille hat auch den Prinzen von Geblüt nicht verstattet, mit ihm zu sprechen.«
»Schicken wir Monsieur de Siorac zu ihm«, ließ sich Téligny vernehmen, »er als
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