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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Arzt kann beurteilen, ob der Zustand des Patienten es gestattet, ihm die umstrittene Frage zu stellen.«
    Dem stimmte ich ungesäumt zu und verließ die Kammer des Fahnenjunkers Cornaton, darin diese Beratschlagung stattfand, welche nach meinem Bedünken angesichts der wachsenden Gefahr so bedeutungsvoll für die Unseren war. Alsdann durchquerte ich die aufgeregte Menge im unteren Saal und verfügte mich in den Oberstock, wo ich Herrn von Mazille mit leiser Stimme fragte, ob ich den Patienten sprechen könne.
    »Sein Zustand ist nicht so schlecht, wie man glauben könnte«, antwortete Mazille. »Er ist eine starke Natur, und es ist ganz wunderbarlich anzusehen, wie er gegen das Übel ankämpft.«
    »Schläft er?«
    »Nein, er hat die Augen offen und sinnt nach, gewißlich über seine großen Pläne.«
    Diese Worte berührten mich mehr, als ich zu sagen vermag, denn Monsieur de Mazille war zwar Papist, doch aufrichtig genug, um zu verstehen, daß der Admiral kein selbstsüchtiger Mann war, sondern im Gegenteil zuförderst auf das Wohl des Staates bedacht war.
    Ich trat also an das Bett heran und hob vorsichtig den Bettvorhang; indes der Admiral mich mit seinen hellen Augen anblickte, welche mir im Halbdunkel so klar und leuchtend wie nie zuvor erschienen, vermeldete ich ihm von der Beratschlagung, die in Cornatons Kammer stattfand.
    Worauf er mit leiser Stimme, wie gedankenverloren, sprach: »Mein Krieg in Flandern! Kann ich den aufgeben?« Und es war nur richtig, daß er
» mein
Krieg« sagte, denn wer sonst am Hofe erstrebte diesen Krieg, abgesehen von dem wetterwendischen König, welcher, überredet von Coligny, ihn heute wollte und morgen, beeinflußt von der Königinmutter, wieder nicht wollte.
    Es war gewißlich ein großes und bedeutungsvolles Vorhaben, den aufrührerischen und streitbaren Sinn der Hugenotten auf einen äußeren Krieg zu lenken, in dem sie mit den papistischen Franzosen einträchtig Seite an Seite streiten würden, anstatt sich gegenseitig zu zerfleischen. Doch war es andererseits nicht eitle Träumerei, darauf zu hoffen, daß der Hof sich überzeugen ließe, die protestantischen Geusen mit Waffengewalt gegen Philipp II. von Spanien (den sichersten Schutzwall des Papsttums) zu unterstützen? Und war es nicht auch Träumerei – wenngleich von anderer Art –, diesen schwachen und fügsamen König von seiner Mutter lösen zu wollen, an deren Röcken er seit seiner Kindheit hing kraft ihres schlauen Einflusses und dank den Ratgebern, welche sie ihm beigesellt?
    Da Coligny nicht weitersprach, verstand ich wohl: Paris zu verlassen hieß für ihn, den König zu erzürnen und seine Gunst zu verlieren; damit wäre sein großes Vorhaben zu Fall gebracht, die Untertanen des Königreiches in einem Krieg, der Philipp II. schwächen würde, zu versöhnen. Gleichwohl führte ich ihm die großen Gefahren vor Augen, welche sich über unseren Köpfen zusammenzogen, auch daß wir in dieser großen Stadt wie in einer Falle steckten, welche alsbald zuschnappenwerde, so daß durch längeres Verweilen nicht nur unsere Sache, sondern obendrein unser Leben verloren sein könnte, denn es sei für unsere Feinde höchst verlockend, hier in Paris, in dessen Mauern die Häupter der Hugenotten auf einem Haufen versammelt waren, einen Überraschungscoup zu wagen und uns alle niederzumetzeln.
    »Dies ist mir wohl bekannt«, erwiderte Coligny. »Mögen alle, welche es danach gelüstet, die Stadt verlassen und sich in Sicherheit begeben. Ich meinerseits kann sehr wohl aus diesem Leben scheiden: ich habe lange genug auf dieser Erde geweilt.«
    Worauf er, indes ich ihn stumm und verdrossen anblickte – denn ich vermeine, ein Mensch dürfe sich niemals, weder im Unglück noch in der Krankheit, von vornherein mit seinem Tode abfinden –, hinzufügte, als wolle er mir den eigentlichen Grund für seine Ablehnung des Vorschlags von Monsieur de Ferrières offenbaren:
    »Mein Freund, ich kann Paris nicht verlassen, ohne den Bürgerkrieg neu zu entfachen, und lieber sterbe ich, als daß ich solches zulasse. Aber ich bin zuversichtlich und fürchte keinen Verrat, denn ich habe Vertrauen zu meinem König.«
    Höchst edle Worte ohne jeden Zweifel, in denen mir jedoch – möge der Schöpfer mir verzeihen! – ein gewisser Widersinn zu stecken schien: für jeden politischen Kopf war es ganz augenscheinlich, daß ein Hinmorden des Admirals und der Seinen den Bürgerkrieg nicht beenden, sondern ihm neue Nahrung geben würde. Und was Karl

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