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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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betraf – wie hätte wohl ein Mann von der aufrechten Geradsinnigkeit eines Coligny die Gemütsbeschaffenheit dieses sich ständig windenden Erdenwurmes verstehen sollen?
    Da ich nun traurig ging, die Antwort des Admirals dem Rat der protestantischen Edelleute zu vermelden, ward mir bewußt, daß dieser Hugenott sich in einem schier religiösen Glauben an das Wort des Königs gefiel. Er sah in ihm allein den Souverän, nicht den Menschen, welcher so kindisch, unbeständig und wechselhaft war, daß man ebensowenig auf ihn bauen konnte wie auf Treibsand: ein von fremder Hand bewegter Kreisel, wie ihn Delay genannt (welches Bild ich höchst treffend fand); eine menschliche Gestalt ohne Inhalt noch Willen; ein leerer Becher, mit jedem Wein zu füllen, dem besten wie dem schlechtesten; eine Wetterfahne, die sich im Winde drehte.
    Herr von Ferrières und andere, welche diese Ansicht teilten, ohne sie laut auszusprechen, waren sehr bekümmert ob der Bescheidung des Admirals, obgleich sie ihn kannten und nichts anderes erwartet hatten. Doch wiewohl Coligny ihnen freigestellt, von dannen zu ziehen, war ganz offenkundig, daß sie solches Tun als schandbarlich empfanden, denn ihr Gewissen erlaubte ihnen nicht, ihr Oberhaupt inmitten der Gefahren zu verlassen, um sich selbst in Sicherheit zu begeben. Herr von Téligny war wenig glücklich darüber, daß seine Meinung nun den Sieg davongetragen, so dunkel schien der Himmel und so nah der Sturm. Ich bemerkte wohl, daß Navarra, welcher sich anschickte aufzubrechen, diese Vorahnung teilte, obgleich er für sich selbst wenig zu befürchten hatte, war er doch der Schwäher des Königs. Und auch Margot würde sein Leben schützen, selbst wenn sie ihn nur wenig liebte. Man ging also auseinander, ohne anderes beschlossen zu haben, als daß man in Paris bliebe.
    Am nächsten Tage, dem 23sten August, einem Sonnabend, war ich sehr verwundert, als ich des Morgens mein Kämmerleinchen verließ und die Werkstatt leer und dunkel, mit ungeöffneten Fensterläden vorfand. Von Alizon, Baragran und Coquillon nichts zu sehen. Und als ich auf die Straße hinaustreten wollte, fand ich die Tür verschlossen, der Schließbalken vorgelegt. Ich lief also, von Miroul gefolgt, durch das Haus, Meister Recroche zu suchen, damit er mir öffne, und fand ihn schließlich in der Küche am Tisch sitzend, vor sich jedoch keinen Morgenimbiß, sondern Wehr und Waffen, welche er mit einem Lappen eifrig putzte.
    Ich entbot ihm meinen Gruß und fragte: »Was hat dies zu bedeuten? Gehören Euch diese Sturmhaube, dieser Brustharnisch, diese Hellebarde? Wollt Ihr etwa in den Krieg ziehen?«
    »Keineswegs«, erwiderte er, unhöflich sitzen bleibend, den Kopf in einer Haltung, daß er mich wie ein Vogel nur mit einem Auge anblickte, welches kalt, blitzend und starr war wie das eines Geiers. »Keineswegs, doch muß man wohl die Dinge säubern, wenn sie schmutzig geworden.«
    »Und was war die Ursach«, so fragte ich weiter, wenig befriedigt von seiner lügnerischen Antwort, »daß heute keine Arbeit verrichtet wird?«
    »Wisset Ihr das nicht?« entgegnete er kühl. »Morgen istSankt Bartholomäus, und wenn das Fest eines Heiligen auf den Sonntag fällt, dann wird am Vortage gefeiert.«
    »Des Nachmittags«, warf ich ein, »aber nicht am Vormittag, wenn ich Alizon glauben soll.«
    »Alizon ist ein dummes, schwatzhaftes Weib, das oft die Unwahrheit spricht. Sie ist das nichtsnutzigste Frauenzimmer der ganzen Schöpfung.«
    »Und eine gute Näherin, wie ich wette, denn sonst, Meister Recroche, würdet Ihr sie wohl nicht beschäftigen … Ist das da Euer Kriegsgerät?«
    »Gewißlich«, antwortete Recroche erhobenen Hauptes. »Ich bin Pariser Bürger«, er spreizte sich, als wäre er ein Graf und Pair, »und ein jeder Pariser Bürger muß wehrhaft sein, um seine Stadt und seinen König gegen die Feinde verteidigen zu können.«
    »Vermeinet Ihr denn, daß die Stadt und der König angegriffen werden?«
    »Sie sind schon einmal angegriffen worden«, gab er schroff zur Antwort, womit er, wie mich deuchte, auf die Belagerung der Stadt durch die Unseren vor fünf Jahren anspielte.
    Dann wandte er sich ab, putzte unter lautem Pfeifen weiter seine Rüstung und schenkte mir nicht mehr die geringste Aufmerksamkeit. Ich konnte nur staunen über so viel Unverschämtheit, obgleich der Kerl auch sonst nur wenig Höflichkeit an den Tag legte, wie alle Pariser Bürger, welche sich, so sie einigermaßen vermögend sind, über jede

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