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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Knie an Knie auf niedrigen Schemeln, einige in angeregter Unterhaltung, andere beim Würfel- oder Tricktrackspiel (obgleich Calvin solcherart Spiele verurteilte), und hofften, die Nacht in Fröhlichkeit und Unbeschwertheit zu verbringen.
    Ich wollte mit Monsieur de Piles sprechen, einem Edelmann von schönem Aussehen und großer Tapferkeit, welchen ich kannte, da ich mit ihm unter dem Auge seines FechtlehrersGiacomi die Klinge gekreuzt, und so wand ich mich zwischen den Knien und Rücken der Anwesenden bis zu ihm durch, ihn zu fragen, wo Ambroise Paré sich befinde.
    »Ihr werdet ihn«, so antwortete Piles, »leider nicht sehen können. Er war vor einem Augenblick noch hier, doch hat er sich jetzt zum König begeben, wo er die Nacht über bleiben soll, so wie wir die Nacht hier verbringen, freilich aus anderen Gründen.«
    »Aus anderen Gründen?« fragte ich, im Innern ganz niedergedrückt und verzweifelt ob des Verlustes meiner letzten Hoffnung.
    »Für gewöhnlich sind wir hier weniger«, sprach Piles mit wichtiger Miene, »doch Seine Majestät hat dem König von Navarra bedeutet, er möge alle seine kampferprobten Gefolgsleute im Louvre versammeln.«
    Hierbei lächelte Piles, denn seine eigene Kühnheit war in aller Munde, seit er Saint-Jean-d’Angély so wacker gegen das königliche Heer verteidigt hatte.
    »Und aus welcher Ursach?« fragte ich weiter.
    »Um, so sagte Seine Majestät, der Dreistigkeit der Guisen vorzubeugen, welche angesichts der Gärung der Gemüter, gestützt auf das Volk von Paris, versucht sein könnten, einen heimtückischen Streich zu führen.«
    »Was!« rief ich, die Augenbrauen hochziehend, so unglaubwürdig schien mir diese Behauptung und so einfältig diejenigen, die sie glaubten, »einen heimtückischen Streich, gegen den Louvre? Welcher so trefflich geschützt ist mit Mauern, Kriegsleuten und Geschützen!«
    »Zumindest befürchtet dies der König«, sagte Piles, den nicht einmal der Schatten eines Verdachtes streifte, daß der König sie belügen oder täuschen könnte.
    Der Vorhang teilte sich, und Monsieur de Nançay erschien in voller Rüstung mit Sturmhaube und Brustharnisch, auf dem wettergegerbten Gesicht einen sehr bekümmerten Ausdruck.
    Der Hauptmann der königlichen Wache betrachtete reihum die anwesenden Edelleute, und da er bei einem jeden mit dem Kopf nickte, schien er sie zu zählen, obgleich er nicht die Lippen bewegte. Als er geendet, sprach er mit derselben bekümmerten Miene und in einem Ton, den ich bis an mein Lebensende nicht vergessen werde, so sehr schien er damit eine Botschaftoder eine Meinung oder eine Warnung, welche in den Worten nicht enthalten war, mitteilen zu wollen:
    »Messieurs, so einer von Euch das Schloß verlassen möchte, wäre noch Zeit. In wenigen Minuten werden die Tore geschlossen.«
    »Aber nein!« sagte einer der Edelleute (welchem die anderen beipflichteten), »wir sind gerade im besten Spiel und gedenken die ganze Nacht damit zu verbringen.«
    »So geschehe also, was Euer Wille war«, sagte Nançay mit müder Stimme.
    Indes wandte er sich nicht zum Gehen, sondern verharrte schweigend, den Vorhang mit der linken Hand erhoben, die Anwesenden nochmals reihum anblickend; schließlich blieb sein graues Auge mit einer solchen Eindringlichkeit auf mir ruhen, daß ich, einer unbewußten Regung folgend, sprach:
    »Monsieur Nançay, ich verlasse das Schloß!«
    »Aber nicht doch!« sagte Monsieur de Piles und legte mir die Hand auf den Arm. »Bleibt hier, Siorac, wir wollen ein Spielchen machen.«
    »Ich kann nicht, Piles«, erwiderte ich. »Da Ambroise Paré die Nacht im Louvre verbringt, muß ich an das Krankenlager des Admirals zurückkehren.«
    »Daran tut Ihr wohl!« rief Piles und umarmte mich herzlich, indes die anderen Edelleute, welche bei der Erwähnung des Admirals von ihrem Spiel aufblickten, mir lächelnd zunickten. Oh, Leser, was waren sie für wackere und tapfere Männer, und welch schmählichem Verrat fielen sie zum Opfer!
    Sobald nämlich Karl das Zeichen zum allgemeinen Gemetzel gegeben, indem er die große Glocke der Kirche Saint-Germain-l’Auxerrois Sturm läuten ließ, erschien Monsieur de Nançay wiederum in der Ankleidekammer des Königs von Navarra und vermeldete den Unglücklichen, daß sie sich auf Befehl des Königs im Schloßhof zu versammeln hätten. Was sie ohne jedes Mißtrauen taten, vermeinend, das Schloß sei vom Pöbel angegriffen worden und der König brauche ihre tapfere Unterstützung. Doch kaum hatten sie

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