Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Zögern, als wäre er im Zweifel, was er sagen soll –, daß ich ihm unbekannt sei.
»Mein Bruder«, sprach Giacomi mit leiser Stimme, »dieser Mann lügt.«
»Das vermeine ich auch«, sprach ich mit gleicher Stimme. »Mein Bruder, sollen wir sie totschießen?«
»Nein«, sprach Giacomi. »Sie haben ihre Waffen nicht gezogen. Also wäre es feiger Mord.«
»Schießen wir sie trotzdem nieder«, sprach Miroul. »Dann gibt es vier Banditen weniger.«
»O nein, o nein!« sprach mein Samson und blickte uns aus seinen himmelblauen Augen groß an. »Sind es nicht Christenmenschen wie wir?«
»Ich kenne mich aus mit dieser Art Christenmenschen«, murmelte Miroul, dessen ganze Familie von Straßenräubern umgebracht worden, zwischen den Zähnen.
»Gesellen«, sprach ich mit lauter Stimme, »was tatet ihr auf dem Pfad nach Taniès?«
»Wir kamen vom Dorf«, sprach der Zigeuner, ganz offensichtlich lügend.
»Und aus welcher Ursach rittet ihr hinter uns her?«
»Nur, um unseren Weg weiterzuziehen.«
Und da juckte mich der Finger gar sehr, ihm ohne weiteres Federlesen das Lebenslicht auszublasen; doch eingedenk dessen, wie sehr Fontenac die Richter auf seiner Seite hatte (so daß selbst das Zeugnis Bouillacs in der Sache mit unserer Beunes-Mühle keine Wirkung gezeitigt), wollte ich diesem Schurken keinen Vorwand geben, Siorac wegen Mordes an seinen Leuten vor das Provinzialgericht zu zitieren, und entschied mich, sanftere Töne anzuschlagen.
»Nun denn, so ziehet weiter in Frieden«, sprach ich. »Und möge Gott, der alles sieht, entscheiden, ob ich recht oder unrecht tue.«
»Dafür danke Euch Gott, Moussu«, sprach der Zigeuner, die Luft durch den weit geöffneten Mund begierig einsaugend, daß sich seine Brust dehnte, »das werde ich Euch nicht vergessen.«
Also lenkten wir unsere Pferde auf die Seite des Weges, und sie ritten an uns vorbei, höchst erleichtert und erfreut, noch am Leben zu sein, und – ich will wetten – den Rücken kalt überschauert bei dem Gedanken an unsere Pistolen, bis sie die Biegung des Weges hinter sich gelassen.
»Mein Bruder«, sprach Giacomi, »wo liegt Mespech?«
»Nach der Wegbiegung vor uns zweigt zur Linken ein Pfad ab, welcher über einen Nebenarm der Beunes zu unserer Mühle führt, und von dort geht ein Weg zur Burg.«
»Und kann man von hier aus auf geradem Wege zur Mühle gelangen?«
»Nein, das Stück Acker, welches Ihr dort unterhalb desWeges erblicket, ist durch austretende Wasser der Beunes versumpft. Dort würde man versinken!«
»In solchem Fall«, sprach Giacomi, »vermeine ich, daß wir, anstatt wie Blinde in die Falle zu tappen, welche man uns stellt, besser nach Sarlat zurückkehren sollten.«
Ich bedachte seinen Rat kurz und sprach dann:
»Ich komme zu einem anderen Schluß: Unsere Rösser sind ermüdet, diese Schurken würden uns gewißlich nachreiten und uns einholen. Dann müßten wir weitab von Mespech kämpfen, ohne Hoffnung auf Hilfe und Beistand, auf welche wir allhier doch zählen könnten. Was vermeinst du, Samson?«
»Wer sagt denn«, entgegnete Samson, seine blauen Augen auf mich gerichtet, »daß diese Leute uns überfallen wollen?«
»Ho ho! Samson!« sprach ich lächelnd (sosehr mich auch unsere mißliche Lage bedrückte), »du bist nicht von dieser Welt: Du liest zuviel die Evangelien und zuwenig den Machiavelli!«
»Aber mein Bruder!« sprach Samson bekümmert, »zuviel die Evangelien lesen! Darf man das jemandem vorwerfen?«
Worauf ich gerade antworten wollte, als Miroul sprach:
»Moussu, darf auch ich sagen, was ich vermeine?«
»Sprich, Miroul.«
»Primo, wie Ihr in Euren
triduanes
sagtet, lasset uns, ehe wir weiterreiten, einen Schuß in die Luft abfeuern, um Coulondre Bras de Fer in seiner Mühle zu alarmieren, auf daß er seine Jacotte durch den unterirdischen Gang zu Moussu lou Baron schickt. Secundo, lasset uns einen von uns, welcher durch Zufall ich sein würde, zur nächsten Wegbiegung auf Erkundung ausschicken.«
»Miroul«, sprach ich, »deine Worte sind Gold! Nur werde ich das Pferd von hinten aufzäumen und dein Secundo an die erste Stelle rücken. Geh, Miroul, und erkunde die Anzahl als auch die Bewaffnung dieser so guten Leute.«
Kaum daß Miroul die Pistole, welche er unter die Hinterbacke geklemmt hatte wie wir alle, in die Satteltasche zurückgesteckt, war er auch schon abgesessen, warf Giacomi die Halfterleine des Packpferdes und mir die Zügel seines Wallachs zu und eilte leichten Schrittes, kaum den Boden
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