Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
auf mein Geheiß vor unserer Abreise verfertigt vom Schneider Martinez.
Auch hatte ich ihm von dem Gelde aus Madame de Joyeuses Schatulle ein ansehnliches munteres Roß gekauft, größer als unsere Araber, darauf Giacomis Beine gleich bis zur Erde gereicht hätten. Also auf seinem stattlichen Pferd sitzend, fünf bis sechs Jahre älter als wir drei, uns um Haupteslänge überragend,sah mein Giacomi gleichsam aus wie Mentor, der seine Telemachs vor jeder Gefahr und Bedrängnis bewahrt.
Als wir nach drei Wochen ohne Widrigkeiten noch Fährnisse zu Sarlat angelangt waren, wähnte ich uns schon im sicheren Hafen – denn bis Mespech waren es kaum noch fünf Meilen – und ließ mir in der Herberge
Zu den drei Schafen
eine Kammer geben, damit wir darin Morion und Brustpanzer ablegten und unsere Wämser anzögen, um so vor den Augen der Herren Brüder und unseres Gesindes in aller Pracht und Herrlichkeit zu erscheinen. Daß solches eitle Großtuerei war, will ich gern zugeben, und Giacomi hielt es mir auch zur Genüge vor, denn es war ihm nicht recht, daß wir uns der Harnische entledigten, ehe wir hinter den starken Mauern von Mespech in Sicherheit waren. Allein, ich wollte nichts davon hören, denn mir schien es nur ein geringes Wagnis, da der Landstrich zwischen Sarlat und Mespech mir so wohlbekannt, daß ich hätte sagen können, wem dieser Acker und wem jener gehörte, in wessen Besitz sich dieser Hof und jenes Anwesen befand.
Ich beschloß, den Weg über den Beunes-Grund zu nehmen, welcher am bequemsten war für unsere ermüdeten Pferde, jedoch nicht der sicherste, denn er wand sich neben dem Fluß durch den engen Talgrund, von dem sich zur Rechten wie zur Linken steile Hänge erhoben, auf denen sich kein Pferd hätte halten können. Mit düsterer Miene bedeutete mir Giacomi, daß wir darinnen wie in einer Fischreuse steckten und, so wir von einer größeren Schar angegriffen würden, uns kein anderer Ausweg bliebe, als umzukehren, wobei wir große Gefahr liefen, einige Büchsenkugeln in den Rücken zu bekommen. Auf seinen Rat hin hielten wir an, um die Pistolen in den Satteltaschen zu laden und die Degen zu ziehen, welche wir uns mit den Schlaufen der Quasten an das Handgelenk hängten, eine Vorsichtsmaßnahme, die ich höchst überflüssig fand, da wir nur noch fünf bis sechs Steinwürfe von unserer Beunes-Mühle entfernt waren, deren Dach ich schon durch das Laubwerk der Bäume wahrzunehmen vermochte.
Als wir an dem schmalen, steilen Pfad vorbeiritten, welcher nach Taniès führt, sahen wir da still und stumm vier Reiter stehen, welche sich, kaum daß wir vorbei waren, in Bewegung setzten und hinter uns herritten.
»Ho ho! das gefällt mir gar nicht!« sprach ich, mich derÄhnlichkeit der Lage in einem früheren Kampf mit Wegelagerern erinnernd, »lasset uns die Pistolen ziehen und diese Halunken fragen, was sie wollen!«
»Mein Herr Bruder«, sprach Giacomi, »ich möchte raten, daß wir nur
eine
Pistole zuhanden nehmen, die andere aber zwischen eine Hinterbacke und den Sattel stecken, denn es ist von höchstem Vorteil, eine Waffe zu seiner Verfügung zu haben, welcher der Gegner bis zum letzten Augenblick nicht gewahr ist.«
Nachdem wir auf meinen Befehl unsere Pferde gewendet, ritten wir den Schurken entgegen und hielten in einiger Entfernung vor ihnen an. Auch sie zügelten ihre Pferde, verblüfft auf unsere Pistolen starrend und einigermaßen verwirrt, daß sie aus Verfolgern zu Verfolgten geworden, und so standen wir uns eine kleine Weile gegenüber, uns unentschlossen gegenseitig anblickend. Sie führten zwar blanke Waffen mit sich, die jedoch noch in ihren Scheiden steckten, und trotz ihrer schurkenhaften Mienen hatten sie nicht das Aussehen von Wegelagerern, denn sie trugen eine Art Livree, als gehörten sie zu einem Edelmann.
»Zu wem gehört ihr?« rief ich mit lauter Stimme und sehr gestrenger Miene.
Hierauf blickten sie einander in ganz offensichtlicher Verlegenheit an, und keiner sprach ein Wort. Was mich dazu nötigte, meine Frage zu wiederholen, doch diesmal richtete ich meine Pistole auf den Kerl, der mir gegenüberstand, ein Zigeuner von schlankem Wuchs mit klarem, lebhaftem Blick, dem sogleich der Schweiß auf das Gesicht trat, als er den Lauf meiner Pistole auf sein Herz gerichtet sah.
»Moussu«, sprach er mit rauher Stimme, »wir gehören zu Baron de Fontenac.«
»Ha!« sprach ich, »und wisset ihr, wer ich bin?«
Worauf der Zigeuner antwortete – jedoch erst nach einigem
Weitere Kostenlose Bücher