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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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nie überholen lassen, stets über ihnen stehen und überall die erste sein, ob im Galopp, beim Hafer, an der Tränke oder beim Beschlagen sanft wie eine Geliebte zu ihrem Herrn, empfing sie mich nie ohne ein leises Schnauben, sobald ich mich näherte; legte ihren langen, edlen Kopf auf meine Schulter oder stieß mich mit der Stirn in den Rücken, um gehätschelt zu werden, davon sie nie genug haben konnte; war anmutig und leicht in ihren Bewegungen, daß es eine Freude war, sie auf der Wiese umhertraben zu sehen, die Mähne im Wind wie das Haar eines Weibes, den Boden kaum mit den Hufen berührend, als ob sie schwebte; nie versagend im Augenblick der Gefahr, als ob sie diese fühlte: sie gehorchte dann auf den leisesten Stiefeldruck, zeigte sich über alle Maßen mutig, fürchtete nicht das Zischen und das Geklirr der Degen noch das Krachen der Schüsse und spitzte die kleinen Ohren nur beim Klang meiner Stimme, denn sie vertraute mir wie einem Gott. Oh, meine arme schöne Accla! nie mehr würden mich deine wunderbaren Augen anblicken, so schwarz, so glänzend und so sanft! Wäre ich der Allmächtige, für den du mich hieltest, dann hätte ich meinen lieben Samson gerettet, ohne daß du den kalten Tod hättest sterben müssen unter den Kugeln, welche ihm bestimmt.
    Ich war gänzlich in diese schwarzen Gedanken versunken, als ich von fern Hufgetrappel und Wagengerumpel vernahm und sogleich meinen Vater und ein Dutzend unserer Leute auf dem Wege zur Mühle auftauchen sah, welche dann die Brücke überquerten und im Galopp auf mich zugesprengt kamen. Ich sprang auf, mein Vater saß ab – was für eine Umarmung!
    »Dem Himmel sei Dank!« sprach mein Vater mit erstickter Stimme, indes er meinen Kopf fest gegen den seinen drückte, damit ich seine Tränen nicht sähe. »Du bist heil und unversehrt! Und auch mein Samson! Und Miroul! Und Giacomi! Dieser Bandit muß von deiner Rückkehr erfahren und einen Späher in Sarlat postiert haben, welcher dein Kommen vermeldete, wonach er diesen gemeinen Hinterhalt gelegt! Meine beiden jüngeren Söhne! Welch schändlichen Mord hatte er im Sinn! Welch ein Schlag wäre es für mich gewesen, hätte er sein ruchloses Vorhaben in die Tat umzusetzen vermocht!«
    Hierauf war die Reihe an Samson: wie herzlich ward auch er umarmt! Alle unsere Leute umringten uns nunmehr, wollten uns ebenfalls umarmen, streicheln, uns Hände und Schultern küssen, höchst bewegt, uns frisch und gesund, ohne daß uns ein Haar gekrümmt, vor sich zu sehen nach der großen Angst, welche sie bei dem Gedanken verspürt, daß man uns hätte den Garaus machen können, während sie im Heu waren. Und dabei waren hier nur die Männer zugegen. Man stelle sich vor, was geschah, als nach unserer Ankunft auf der Burg noch die Frauenzimmer hinzukamen! Ich überlasse es dem Leser, sich die nicht enden wollenden Schreie, Tränen, Liebkosungen vorzustellen, auch das Geschwätz und die Fragen. Nachdem wir uns schließlich den Liebesbezeigungen unseres Gesindes entzogen hatten, führte mein Vater uns in die Bibliothek, worinnen Sauveterre von den Schmerzen festgehalten wurde, welche seit zwei Tagen sein verletztes Bein lähmten und – wie mir schien – seinen Sinn gar sehr verdüsterten.
    Doch als er unser ansichtig wurde, nahm sein gestrenges schwarzes Auge (dessen Blitze ich in meinen jungen Jahren so fürchtete) einen milderen Ausdruck an, und er küßte uns, wobei seine Wimpern zwar trocken blieben, seine Lippen aber trotz seiner unerschütterlichen hugenottischen Härte zitterten. Danach begehrte er einen vollständigen Bericht, welchen ich ihm, so genau ich vermochte, gab und den er mit aufmerksamem Ohr anhörte. Als ich geendet, sprach er mit einem großen Seufzer und gar grämlicher Miene:
    »Wenn man den Feigenbaum fällt, so muß man auch seine Wurzeln ausreißen, sonst schlägt er von neuem aus und hinterläßt einen Sohn. Es war wohlgetan, Fontenac in ehrlichem Duell den Garaus zu machen, doch ob Duell oder nicht, auch derHund von Malvézie hätte niedergemacht werden müssen, Mein Neffe, Ihr habt Euch wacker geschlagen, doch ohne das Werk zu vollenden. Unsere Plagen sind noch nicht zu Ende, ganz im Gegenteil.«
     
    Auf Anraten Sauveterres – und damit man nicht sagen sollte, sein Zeugnis sei durch Schrecken und Folter aus ihm herausgepreßt worden – behielten wir den Zigeuner nicht auf Mespech, sondern schickten ihn wohleskortiert zu Monsieur de Puymartin, welcher zwar Papist, doch uns sehr zugetan war, da

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