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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Coligny alljetzt am Königshof wohlgelitten ist und, wie es scheint, hoch in der Gunst des Königs steht, so neigen doch einige Richter des Provinzialgerichts aus vorgefaßter Meinung dazu, Euren Söhnen die Schuld zu geben.«
    »Und womit«, so fragte Oheim Sauveterre mit gerunzelter Stirn, »wollen sie eine so himmelschreiende Ungerechtigkeit begründen?«
    »Mit dem Zeugnis des Pfarrers von Marcuays!«
    »Pincettes!« rief mein Vater aus, »welcher zu Sarlat und im ganzen umliegenden Land als buhlerischer Trunkenbold bekannt!«
    »Er ist Pfarrer«, sprach Monsieur de la Porte. »Das reicht aus, seiner Aussage, auch wenn sie sich mehrmals gewandelt hat, größeres Gewicht zu verleihen als der des Zigeuners.«
    »Sie hat sich gewandelt?« fragte mein Vater.
    »In höchstem Maße. Als Pincettes sich in den Klauen Malvézies befand, hat er unter den Drohungen dieses Schurken eine Darstellung der Ereignisse gegeben, welche sehr ungünstig war für Eure Söhne. Doch auf die Forderung des Seneschalls hin, daß Malvézie ihn freigeben solle, entzog ich ihn ungesäumt dem Einfluß Malvézies und brachte ihn wieder in sein Pfarrhaus zu Marcuays, allwo er in meiner Gegenwart ein Zeugnis abfaßte, welches gar wohl mit dem zusammenpaßte, was ich allhier gehöret.«
    »Dann ist alles gut!« warf Sauveterre ein.
    »O nein! Denn Pincettes, welcher die Rache Malvézies fürchtete, verließ seine Pfarre, begab sich ungesäumt nach Sarlat unter den Schutz seines Bischofs und verfaßte dort, umgarnt und beeinflußt, ein drittes Zeugnis, welches zu allem Unglück dem ersten ähnlich ist.«
    »Es handelt sich hier«, sprach mein Vater, »um einen Zeugen, der mir durch seine Wankelhaftigkeit höchst unglaubwürdig scheint.«
    »Mitnichten, denn die Mehrheit der Richter des Provinzialgerichtes scheint, so befürchte ich, dafürzuhalten, daß sein letztes Zeugnis das wahre ist, da es im Bischofspalast kraft der Erleuchtung durch das Gebet und den Heiligen Geist zustande kam.«
    »Gebet und Heiliger Geist!« rief mein Vater zähneknirschend, »bloße Worte im Munde von Scheinheiligen, die sich des Mantels der Religion bedienen, um dahinter ihre höchst irdischen Geschäfte voranzubringen!«
    »Mein Herr«, sprach Monsieur de la Porte, wobei ich nicht zu unterscheiden vermochte, ob seine Rede ernst gemeint oder voller versteckten Spott war, »ich bin Katholik und respektiere meinen Bischof.«
    »Mein Herr«, entgegnete mein Vater, »obgleich ich Hugenott bin, respektiere ich ihn auch, jedoch nicht seine irdischen Irrungen. Der Hauch des Heiligen Geistes wehet, wo es ihm gefällt, und warum hätte er diese kirchliche Wetterfahne nicht ein weiteres Mal drehen sollen? Was besagt also dieser letzte Hauch?«
    »Daß Eure Söhne dem Baron auf dem Wege im Beunes-Grund begegneten und ihn sogleich in einem hinterhältigen Handstreich töteten.«
    »Das ist eine große und gar schändliche Lüge!« rief ich aus.
    »Das vermeine ich auch«, sprach Monsieur de la Porte. »Doch mir obliegt in diesem Fall die Untersuchung, nicht die Urteilsfindung. Und damit ich den Befehl erhalte, Euch sowie Euern Bruder gefangenzusetzten und vor den königlichen Gerichtshof zu Bordeaux zu bringen, reicht es aus, daß die Mehrheit der Richter des Provinzialgerichtes anderer Meinung ist als ich.«
    »Das könnte sehr wohl sein«, sprach Monsieur de la Porte mit ernster Stimme.
    Hierauf verstummten wir, alle vier ganz fahl im Gesicht von der Anstrengung, welche es uns kostete, unsere zornige Entrüstung vor unserem Besucher zurückzuhalten.
    »Mein Herr«, sprach Jean de Siorac schließlich, »Dank sei Gott und Euch, daß Ihr in privatim hierhergekommen, uns zu warnen. Doch darf ich Euch ersuchen, Eure Güte so weit zu steigern, daß Ihr uns sagt, was Ihr entscheidet, so Ihr an unserer Stell und Statt in solch mißliche Lage geraten wäret?«
    »Ich nehme an«, sprach Monsieur de la Porte, »daß der König Euch, Herr Baron, wie alle katholischen oder reformierten Edelleute, die im Périgord Rang und Namen haben, in seine Hauptstadt eingeladen hat zur Verheiratung seiner Schwester Margot mit dem Prinzen Heinrich von Navarra, welche im August stattfinden soll.«
    »Ich habe in der Tat solch Schreiben und Einladung vom König erhalten.«
    »Anstatt Euch selbst dorthin zu begeben«, sprach Monsieur de la Porte, sich erhebend und die Stimme senkend, als ob er nur halb gehört werden wollte, »schicket Eure beiden jüngeren Söhne an Eurer Stelle nach Paris, allwo sie ihren

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