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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Pferde im Schatten anbanden, denn die Julisonne brannte noch heiß, obgleich der Tag sich dem Ende neigte, und es uns in einer weinbewachsenen Laube bequem machten. Die Wirtin, welche mit ihrer äußerlichen Gestalt wenig Ruhm einlegen konnte, tischte uns einen so außergewöhnlich guten Wein auf, daß es Sünde und Schande war, ihn mit Wasser zu mischen, was wir trotzdem taten, denn unser Durst war sehr groß, und wir wollten vermeiden, daß uns bei der Begegnung mit Herrn von Montaigne der Kopf drehte. Da uns auch der Magen brummte, ließen wir reichlich Schinken, Weißbrot, Butter und eine gute Melone kommen, was sich zusammen mit dem Weine (von dem wir drei Sester tranken) auf fünf Sols belief. Ich vermeinte, wir sollten der Ärmsten sieben geben, doch Samson, welcher unser Säckelmeister war, widersprach, und so bestand ich nicht weiter darauf, zumal Giacomi zu bedenken gab, daß es unklug wäre, auf solche Weise die Erinnerung des biederen Frauenzimmers an unseren Aufenthalt noch zu verstärken, welchselbiges sich ohnehin ständig in unserer Nähe zu schaffen machte, die Ohren gespitzt, da wenig Reisende und folglich wenig Neuigkeiten hierherkamen.
    Nach einer Stunde war Miroul zurück und vermeldete, daß der Sekretär des Herrn von Montaigne uns an einer nahen Wegkreuzung erwarte. Wir saßen auf und ritten in die angezeigte Richtung, wo ich alsbald im Schatten eines Kastanienwäldchenseinen finsteren, schwarzgekleideten Gesellen auf einem recht und schlecht aufgezäumten Ackergaul sitzen sah, welcher (ich meine den Gesellen) mit unfreundlicher Miene, doch in höflichen Worten zu mir sprach, denn er hatte aus meinem Aussehen und meiner Aufführung geschlossen, daß ich der Anführer unserer kleinen Schar war: ob ich denn wirklich der Zweitgeborene des Barons de Mespech sei, und wie ich solches beweisen könne. Ich gab ihm zur Antwort, ich hätte einen Brief meines Vaters für seinen Herrn. Den wollte er sehen. Ich reichte ihm den Brief, welchen er sogleich ohne weitere Umstände entsiegelte und – obwohl nicht an ihn gerichtet – las. Wonach sich sein Auge etwas aufhellte und er uns gar höflich ersuchte, Brustpanzer und Morion abzulegen und unsere Wämser anzutun, da Herr von Montaigne es gar nicht liebe, daß auf seinem Ruhesitz jemand in voller Rüstung erscheine.
    Es muß gegen sechs Uhr gewesen sein, als wir an dem Schloß anlangten. Der Sekretär führte uns sogleich, nachdem wir abgelegt, in den Turm, allwo Herr von Montaigne seine Bibliothek hatte, welchselbige er in seinen berühmten Essays beschreiben sollte unter Hinzufügung, daß er zu seinem Bedauern keine Galerie habe anlegen lassen, auf welcher er hätte auf und ab gehen können, anstatt sich in seinem runden Turme immer nur im Kreise zu bewegen, wie er es tat, da wir eintraten. Er begrüßte uns über alle Maßen höflich und las, nachdem er uns zum Setzen aufgefordert, den Brief, welchen ihm der Sekretär geöffnet reichte, bei der Lektüre mit dem Kopfe nickend und nach Beendigung nochmals von vorn beginnend, was mir reichlich Muße ließ, ihn mit allergrößter Neugier zu betrachten, denn er genoß bereits – obgleich noch nichts aus seiner Feder erschienen war – im ganzen Königreiche den Ruf großer Gelehrsamkeit.
    Er befand sich zu jener Zeit in seinem vierzigsten Jahre und hatte sich bereits seit einem Jahr zu seinen
gelehrten Jungfrauen
zurückgezogen – womit er die Musen meinte –, um »in Zurückgezogenheit auf dem friedlichen Familiensitz Montaigne seine Freiheit und Ruhe zu genießen«. Bei der Begrüßung war es mir erschienen, als wolle er sich wie ein Höfling geben oder einen solchen nachäffen, denn er hatte trotz seiner gefältelten Halskrause und der Halskette des Sankt-Michaels-Ordens, welchen ihm der König im Jahr zuvor verliehen,weder das dazugehörige Aussehen noch Gebaren. Ich fand eher etwas von einem Gelehrten und einem Advokaten in seinem Äußeren, welches nicht durch körperliche Vorzüge glänzte, denn er war von kleiner und gedrungener Statur, von einer so vollkommenen Kahlheit, daß auch nicht ein einziges Härchen auf seinem Schädel zu sehen war, und erweckte den Eindruck eines Mannes, der besser mit der Feder als dem Degen umzugehen weiß, obgleich er einen solchen an seiner Seite trug und – wie ich gehört – ziemlichen Gefallen daran fand, von Kriegen und Schlachten zu sprechen, worüber unser Nachbar Brantôme sich lustig zu machen pflegte, so stark und zäh sind die Vorurteile des Kriegsadels

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