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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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gesprochen oder mit der Wimper gezuckt hätte, zu Ende, und Léonor kam zu ihrem Vater, sich beide Wangen küssen zu lassen, worauf sie, schmächtig und liebreizend, im Gefolge der sauertöpfischen Alten verschwand.
    »Ihr habt gehört«, sprach Montaigne, als sie hinausgegangen, »wie unsere Töchter erzogen werden! Das Wort ›Metze‹ wird zum Verbrechen, weil es auch zur Bezeichnung einer Hure dient. Anstatt es in seinem anderen Sinn in aller Unschuld auszusprechen, verbietet man es, so daß gleich Ungeheuerliches dahinter vermutet wird.«
    »Aber Monsieur de Montaigne«, sprach ich, »Ihr hättet doch einschreiten können.«
    »Oh, nein!« rief Montaigne mit erhobenen Händen. »Ich will mich weder in die Regeln noch in die Ausübung dieser Zucht einmischen. Die weibliche Sinnesart hat etwas Unergründliches, deshalb sollten wir solches den Frauenzimmern überlassen. Doch so ich mich nicht irre, hätte der Umgang mit zwanzig Kutschknechten das Verständnis und den Gebrauch dieser verruchten Silben nicht besser in Léonorens Sinn einprägen können als das Verbot der gutgläubigen Alten.«
    Worüber ich lachte und Giacomi ebenfalls, jedoch nicht mein vielgeliebter Samson; ich wette, er wäre, so er eine Tochter aufzuziehen hätte, ebenso unerbittlich wie diese schlechtberatene Alte.
    »Oh, noch ein Besuch!« sprach da Montaigne, auf dessen Schoß eben eine Katze gesprungen war, ein eher gewöhnliches Tier, ausgenommen die Färbung ihres gestreiften Fells, das sich in einem gar hellen, fast silbrigen Grau zeigte, auf demBauch weiß und weich. Mit ihrem grazilen Körper, langgestreckt und geschmeidig wie der eines Wiesels, dem dreieckigen kleinen Gesicht, ihren grünen Augen und ihrem höchst mutwilligen, ja femininen Gebaren war sie über die Maßen possierlich anzusehen, wie sie auf Montaignes Schoß saß und spielerisch, unter seiner streichelnden Hand schnurrend, bald mit den Krallen nach ihm schlug, bald nach ihm biß.
    Indes er seine Katze zwischen ihren kleinen Ohren kraulte, sah Montaigne mich mit einem hintergründigen Lächeln an, welches ich nicht besser beschreiben kann, als daß es zusammen mit seinen strahlenden großen Augen seinen Gesprächspartner bereits im voraus zum Eingeweihten und Beteiligten dessen machte, was er zu sagen sich anschickte. So war man, obgleich er nicht schön von Angesicht, in gewisser Weise für ihn eingenommen, noch ehe er zu sprechen begann. Und wenn er dann einen Gedanken ausdrückte, welcher zuweilen der allgemeinen Meinung völlig entgegenstand, dann bestach dieser durch seine Klarheit, ohne in seiner Neuheit zu schrecken. Auch war kein Gegenstand zu gering oder unbedeutend für ihn, was seiner Rede eine Ungezwungenheit gab, welche ihn seinem Gegenüber nah und vertraut machte.
    Indes er unversehens mit der Hand eine Angriffsgebärde gegen seine Katze vortäuschte und diese einen Gegenangriff mit ihren Krallen, sprach Montaigne mit seinem hintergründigen Lächeln:
    »Ich spiele mit meiner Katze, doch wer weiß, ob sie mit mir spielt? Wer weiß, ob ich für sie nicht eben das bin, was sie für mich? Und ob sie sich an mir mehr ergötzt als ich mich an ihr? Wir unterhalten uns gegenseitig mit unseren Spielereien. Und so wie ich meine Zeiten haben, da ich beginne, und andere, da ich mich verweigere, so hat sie die ihren.«
    Worauf er das Gespräch auf die Jagd brachte und sagte, daß seine Nachbarn höchst begeistert davon seien, wohingegen sie ihm, obwohl er durchaus – wie schon sein Vater – zuweilen auf die Hatz gehe, ein rohes Vergnügen scheine und er es nicht liebe, einen Hasen in den Fängen seiner Hunde winseln zu hören. Ebensowenig, fügte er hinzu, könne er ohne Unbehagen sehen, wie einem Huhn der Kopf abgehackt werde.
    »Aber man muß doch essen«, sprach Samson.
    »Gewißlich!« erwiderte Montaigne in gutmütig-spöttischemTon und sah meinen hübschen Bruder mit der ihm eigenen Güte an.
    Unzufrieden, daß er ihr Spiel unterbrochen, war derweil seine Katze, welche er Carima nannte, von seinem Schoß herabgesprungen und lief mit hocherhobenem Schwanz schmollend in einen Winkel des Saales, wo ein kleiner Teppich ausgelegt war, welchen sie ungesäumt wütend mit ihren Krallen zu bearbeiten anfing, als wolle sie sich rächen, daß sie nicht mehr beachtet ward. Und wiewohl es Montaigne nicht recht war, wie ich zu sehen vermeinte, daß sie seinen Besitz beschädigte, ließ er sie dennoch gewähren, da er kein großes Verlangen trug, weder die Dinge noch die

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