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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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aus Rom? oder Philipp II., der Spanier? Bei Gott, ich hasse die Fremden, die nach Paris kommen und uns sagen wollen, was wir zu tun und zu lassen haben, und die uns sozusagen das Messer in die Hand drücken gegen unsere Hugenotten, welche doch zum gleichen Volke gehören wie wir:
Nefas nocere vel malo fratri puta.
1 «
    Oh! dachte ich, wenn ich schon für diesen aufrechten Mann ein »schlechter Bruder« bin, was werde ich dann erst in Paris für die anderen sein?
    Indes schwieg Pierre de l’Etoile, bemüht, wieder die Herrschaft über seine Gemütsverfassung zu gewinnen, welche ohne jeden Zweifel grämlich und gallig war, doch ist es nicht ein Zeichen von Gesundheit, daß man sich so ergrimmt? Und ist es nicht besser, daß der Eiter aus einem Geschwür hervorschießt, als daß er unter der Haut verbleibt und das Blut vergiftet?
    »Monsieur de Siorac«, hub er in einem freundlichen Tone an, nachdem er sich beruhigt, »habt Ihr eine Kammer in einer Herberge zu Paris bestellt?«
    »Nein. Ich reise auf gut Glück.«
    »Welches«, so sprach er, »Euch nicht lächeln wird. Man findet gegenwärtig in der Hauptstadt keine noch so kleine und armselige Absteige, mag sie stinkend, verlaust und verwanzt sein, darin noch eine Küchenschabe Platz hätte.«
    »Was soll ich nur beginnen?« fragte ich bedrückt.
    »Sucht Euch Quartier in einem Bürgerhause, was in Euerm Falle viel angebrachter ist.«
    »Und aus welcher Ursach?«
    »Weil, Monsieur de Siorac, die Herbergswirte vom Stadtvogt angewiesen sind, sorgfältig Namen und Herkunft ihrer Herbergsgäste nebst der Zahl ihrer Pferde und Waffen in Erfahrung zu bringen.«
    »Und ihrer Waffen!« sprach ich halblaut. »Das will mir gar nicht gefallen!«
    »Und auch mir nicht«, fügte Pierre de l’Etoile hinzu. »DieseInquisition spanischer Art ist mir höchst zuwider. Aber ich kenne zu Paris keine Menschenseele.«
    »Monsieur de Siorac«, sprach da Pierre de l’Etoile, »ich schulde Euch einige Dankbarkeit, daß Ihr die Frechheit dieser Schurken geahndet, welche ich, so es in meiner Macht stünde, auf der Stelle an den Galgen hätte bringen lassen. (Bei welchen Worten er wieder in Zorn verfiel.) Und so es Euch recht ist, werde ich Euch in die Rue de la Ferronnerie zu einem Mützenmachermeister geleiten, der Euch mir zu Gefallen, denn ich habe ihm aus einiger Verlegenheit geholfen, Quartier geben wird. Meister Recroche – dies ist sein Name – ist ein größerer Geizkragen als jeder Normanne aus der Normandie, obgleich er wie ich zu Paris geboren ward und es niemals verlassen hat – so wie ich nur gelegentlich meinen Grundbesitz im Perche besucht, von welchem ich gerade zurückkehre. Jedoch ist Meister Recroche trotz seiner übergroßen Liebe zum Gelde ein recht verläßlicher Mann, und er wird keine Geschichten über Euch in der Nachbarschaft erzählen, wenn Ihr nur zur Messe geht, was ich Euch anrate.«
    »Aber Monsieur«, entgegnete ich, »zur Messe gehen!«
    »Das werdet Ihr wohl müssen«, sprach Pierre de l’Etoile. »Die Regel aller Regeln besagt: möge ein jeder die Regel des Ortes beachten, an welchem er sich befindet.«
    Daß dies die »Regel aller Regeln« sei, bezweifle ich. Einige sagen, es sei weise, seinen Glauben angesichts drohender Verfolgung zu verhehlen. Andere nennen das feige. Wer soll diese ernste Frage entscheiden? Gewiß ist es töricht, sich der Gefahr auszuliefern, auf dem Scheiterhaufen zu brennen oder niedergemetzelt zu werden. Allein, wenn man in dieser Welt nicht zu bekennen wagt, was man glaubt, in welcher Welt soll man es dann tun?
    Indes ich unter derlei Gespräch neben Pierre de l’Etoile einherritt, gefolgt von Samson und Giacomi, hinter welchen Miroul mit großem Geschick sein eigenes Pferd sowie das Packpferd führte, kamen wir nur noch im Schritt voran, so dicht wurde das Gewühl auf der Straße, je mehr wir uns Paris näherten, und zuweilen kamen wir gänzlich ins Stocken und mußten warten, bis sich das Gewirr von Pferden und Wagen wieder entwirrt hatte. Oh, wie lang erschienen mir die letzten Meilen angesichts meiner Ungeduld, endlich mit eigenen Augendieses Paris besehen zu können, von welchem ich so viel gehört und das Cossolat in dem Maße verabscheute, wie es Monsieur de Montaigne in den Himmel gehoben hatte.
    Bei dem Flecken Saint-Cloud passierten wir den Seine-Fluß auf einer so engen Brücke, daß es nur mit größter Langsamkeit voranging, was mir Muße ließ, die Boote zu bewundern, welche mit dem günstigen Winde

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