Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
Vier Minuten nachdem Benjamin hineingegangen ist, hat jemand den Türöffner gedrückt, um herauszukommen.«
»Du hast recht. Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Bursche sie in vier Minuten mit einer Garotte umbringt, hinter sich aufräumt und wieder herauskommt?«
»Nicht groß.«
Flemming runzelte die Stirn. »Egal, in jedem Fall lügt er.«
»Sollen wir ihn festnehmen lassen?«
»Ja. Besser, du lässt ihn sofort holen.«
»Was ist mit der Mutter?«
»Mit ihr lassen wir uns noch ein bisschen Zeit.« Flemming stand jetzt am Fenster und blickte über den Fjord, wo der Wind auf dem dunkelgrauen Wasser kleine boshafte Schaumkronen bildete. »Hören wir uns zuerst einmal an, was ihr Sohn zu berichten hat.«
»Was hast du eigentlich gegen Frank Janssen?«
»Wieso glaubst du denn, ich hätte etwas gegen ihn?« Lone Willumsens Stimme war kühl. »Ich habe es nur so eingeschätzt, dass wir die Routineverhöre auch ohne ihn schaffen. Außerdem gibt es im Präsidium genug zu tun. Dich konnte ich ja nicht erreichen, also habe ich es gewagt, die große Entscheidung allein zu treffen. Wenn das falsch war, bitte ich um Entschuldigung.«
Flemming biss sich auf die Lippe. Es hatte keinen Sinn, jetzt einen Streit zu beginnen, und schon gar nicht am Telefon. »Ja, und er ist hier auch ein gutes Stück weitergekommen, also sollte ich dir wohl danken«, sagte er. Ärgerlich, dass er ihren Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Er erklärte seiner Stellvertreterin in groben Zügen, wie Benjamins Lügen aufgedeckt wurden. »Wir holen uns den Burschen gerade zur Vernehmung.«
»Okay.« Sie machte eine Pause. »Dann deutet ja vieles darauf hin, dass Benjamin Winther der Täter ist? Vergeuden wir hier nicht unsere Zeit, wenn er in ein paar Stunden sowieso schluchzend zusammenbricht und gesteht?«
»Ich glaube nicht, dass es Benjamin war.«
»Wie du willst.«
»Das Wichtigste ist im Augenblick, dass du eine komplette Liste darüber erstellst, wann die einzelnen Mitarbeiter gestern gekommen und gegangen sind. Schick sie mir so schnell wie möglich. Wir vergleichen sie hier mit der Liste der Sicherheitsfirma.«
»Das ist ja alles schön und gut«, erwiderte Lone Willumsen. »Aber hast du auch daran gedacht, dass es sich nicht um ein fehlerfreies System handelt? Wenn zwei oder drei Mitarbeiter gleichzeitig hineingehen, wird trotzdem nur eine Zugangskarte registriert.«
»Deshalb ist es wichtig, dass ihr sie auch danach fragt, ob sie allein gekommen sind, ob jemand die Terrassentür im Sitzungszimmer benutzt oder bemerkt hat, dass sie im Laufe des Tages offen stand.«
»Offen wird sie wohl kaum gestanden haben.« Ihr Ton klang noch immer leicht beleidigt. »Es hat gestürmt und den größten Teil des Tages in Strömen gegossen.«
»Willumsen, zufällig weiß ich, dass bei Kurt & Ko Rauchverbot herrscht. Wer rauchen will, muss nach draußen unter das Halbdach«, erklärte Flemming. »Und die Terrassentür benutzen die meisten, wenn sie sich eine Zigarette anstecken wollen. Nur wenn das Sitzungszimmer benutzt wird, gehen die Leute zum Rauchen vor die Eingangstür.«
»Ah ja, du kennst hier ja Leute …«
»Zu deiner Aufklärung: Dan Sommerdahl ist momentan krankgemeldet. Ich habe gestern den ganzen Abend mit ihm verbracht. Von 18 . 00 Uhr bis ein paar Stunden nach dem Fund der Leiche. Mir reicht das als Alibi. So wie ich es sehe, ist Dan der Einzige, bei dem ich zu zweihundert Prozent sicher sein kann, dass er nicht der Täter ist. An ihn brauchst du also keinen Gedanken mehr zu verschwenden.« Flemming klappte sein Mobiltelefon zu. Irgendwann würde er ein grundsätzliches Gespräch mit Lone Willumsen führen müssen. Offensichtlich hatte sie ein Rollenproblem, und das machte sich ein bisschen zu häufig bemerkbar. Wenn er bloß wüsste, wo das Problem lag.
Während er darauf wartete, dass Frank Janssen mit Benjamin zurückkam, schrieb er seine Notizen des Gesprächs mit Dan ins Reine. Verdammt viele Leute, die bei Kurt & Ko arbeiteten. Viel zu viele! Außerdem war er sich vollkommen darüber im Klaren, dass der Mörder nicht unbedingt auf dieser Liste stehen musste. Schon möglich, dass ein Großteil des Personals aus dem Verwaltungsbereich abends nie Überstunden machte, aber sollte seine Theorie stimmen und irgendjemand hatte sich stundenlang in der Küche versteckt gehalten, dann konnte der Mörder auch aus diesem Personenkreis stammen. Jemand, der sich außerhalb der normalen Arbeitszeiten nie im
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