Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
eine Packung Antibabypillen aus den Beständen ›Nur für den eigenen Praxisgebrauch‹ gegeben. Dem Mädchen, das vor ein paar Stunden ermordet aufgefunden wurde.«
»Das ist ziemlich normal. Ich habe auch immer mehrere Sorten Antibiotika, etwas Antihistamin und etwas Schmerzstillendes und Beruhigendes in meiner Tasche. Man weiß nie, wann man es akut braucht.«
»Genau.
Akut.
Wann hast du zuletzt von jemandem gehört, der einen akuten Bedarf an Antibabypillen hatte? Die wirken doch erst nach einem Monat.«
»Du redest, als würdest du etwas davon verstehen.« Sie lächelte. »Wenn man ein junges Mädchen in seiner Sprechstunde hat, die keinen allzu hellen Eindruck macht, ist es ein guter Trick, ihr mit dem Rezept gleich eine Packung Antibabypillen zu geben. Dann kann sie sofort anfangen, und man hat
vielleicht
eine Abtreibung vermieden.«
»Ja, ja, ja«, erwiderte Dan ungeduldig. »Ich werde herausfinden, wohin Regitze geht. Aber ich möchte dich auch um einen Gefallen bitten.«
Marianne setzte sofort eine skeptische Miene auf. »Ist es legal?«
»Das weiß ich wirklich nicht. Ich gehe davon aus, dass du es ohne große Probleme erledigen kannst.«
»Sag schon.«
»Dieses Mädchen, eure gemeinsame Helferin, wie heißt sie gleich?«
»Bitten.«
»Ach ja, Bitten. Sie hat doch über das Firmen-Netzwerk Zugang zu jedem Computer der Ärzte, oder?«
»Ja, sicher. Andernfalls könnte sie kaum arbeiten.«
»Könntest du sie bitten, eine Liste auszudrucken?«
Marianne legte die Arme übereinander. »Eine Liste? Wovon?«
»Ich vermute, euer System verfügt über eine Datenbank, in der man nach mehreren Parametern suchen kann, also nach Patientennamen, Krankheiten, Medikationen …«
Sie nickte.
»In dieser Datenbank müsste auch registriert sein, welche Medikamente ein Arzt verschreibt, nicht wahr? In Zweifelsfällen muss das doch nachgewiesen werden können, oder?« Er wartete auf ihr Nicken, bevor er fortfuhr: »Dann ist es nur logisch, dass ihr selbst auch Zugriff darauf habt und es im Laufe des Jahres überprüfen könnt?«
»Worauf willst du hinaus, Dan?«
»Ich möchte gern wissen, wem Regitze Jung im vergangenen Jahr Medikamente verschrieben hat und was das für Präparate waren. Also in der Phase, in der sie sich diese sonderbaren Auszeiten genommen hat.«
»Das ist so illegal wie unethisch, bist du dir darüber im Klaren?«
»Ich habe die starke Vermutung, dass es irgendetwas zu bedeuten hat. Kannst du Bitten nicht erklären, dass sie zur Aufklärung eines mysteriösen Mordfalls beiträgt, wenn sie dir hilft?«
»Ja, natürlich, aber versprechen kann ich dir nichts.«
Sie standen auf, nachdem der Oberkellner mit der Rechnung und einem Hundekeks für Luffe gekommen war.
»Weißt du, dass Laura morgen Nachmittag nach Hause kommt?«, fragte Dan, als sie die Ecke erreicht hatten, an der sich ihre Wege trennten.
»Ja, danke.« Marianne hob eine Augenbraue. »Und rate mal, wer quer durch Seeland fahren darf, um sie zu holen, weil sie so viel Wäsche hat, wie sie behauptet.«
»Etwa Rasmus? Hast du von ihm gehört?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er ist noch auf dem Filmfestival in Stockholm. Ich denke, er wird nächste Woche mal nach Hause kommen, um seine alten Eltern zu besuchen.«
»Na, hoffen wir’s.« Er legte ihr eine Hand an die Wange. »Das war ein schönes Mittagessen, danke.«
»Ebenfalls.« Marianne küsste seine Hand. »Es ist schön, dass du wieder du selbst bist, Dan.«
Zwei ausgewachsene Krankenpfleger waren nötig, um sie aufrecht zu halten. Nachdem Jo die arg mitgenommene Leiche von Sally gesehen hatte, war sie jammernd zusammengesunken; und als Flemming merkte, wie schwer sich diese trauernde Frau machen konnte, hatte er den physischen Teil der Arbeit den Profis überlassen.
Die kleine Gruppe stand in einem Kühlraum im Keller des Krankenhauses von Christianssund, und Flemming entschied sehr schnell, dass sie woanders mit ihr hinmussten. Gleich um die Ecke gab es eine altmodische Kaffeestube. Er bat die Krankenpfleger, sie dort hinzubringen. Er und Pia gingen voraus, Jo und ihre beiden Stützen humpelten in ein paar Metern Abstand hinterher. Die Klageschreie der Afrikanerin hallten als Echo in den langen, nackten Kellerfluren wider.
»Waren sie wirklich so enge Freundinnen?«, fragte Flemming leise und warf einen Blick zurück.
»Weiß ich nicht. Vielleicht ist es ja auch was Kulturelles, gilt es nicht in einigen Ländern als direkt unhöflich, nicht lautstark zu
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