Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
angebandelt hatte.
In all der Zeit, vor, während und nach seinen Seitensprüngen, hatte er nie auch nur eine Sekunde an Mariannes Loyalität gezweifelt. Sie war ihm treu geblieben. Dann wurde Flemming vor einem halben Jahr plötzlich geschieden. Die Eheprobleme seines Freundes hatte Dan nicht bemerkt. Und er wusste bis jetzt nichts Genaues. Denn Flemming hatte sich nicht Dan anvertraut, sondern wie gewöhnlich Marianne. Dan hatte sich durchaus ein wenig ausgegrenzt gefühlt, obwohl ihm genau zu diesem Zeitpunkt im Büro alles über den Kopf wuchs und er sich vernünftigerweise auf seinen Job konzentrieren musste. Er hatte sich mehrfach über Mariannes und Flemmings leise Telefonate beklagt, die bisweilen mitten in der Nacht stattfanden; und eines Tages hatte sich plötzlich eine fixe Idee in ihm festgesetzt: Marianne war auf dem Weg zurück zu Flemming! Eigentlich wusste er genau, dass das Unfug war, aber der Seitensprungexperte in ihm konnte nicht anders und sah überall Zeichen, ob er sie sich nun einbildete oder nicht … Marianne hatte abgenommen und sich schicke neue Sachen gekauft; sie war oft so abwesend, dass man nur schwer in Kontakt mit ihr kam; sie überprüfte ständig die Kurznachrichten auf ihrem Handy und erzählte ihm nur, von wem sie stammten, wenn sie von den Kindern kamen.
Als Dan klar wurde, dass er an einer Depression litt, versuchte er, sein Misstrauen darauf zurückzuführen. Er sagte sich, seine Eifersucht sei die Nemesis und gerechte Strafe für seine Sünden in der Vergangenheit und seine Hybris. Es gab nur ein dummes Schwein in dieser Geschichte, das war ihm klar. Und das waren nicht die beiden anderen, weder der integre Flemming noch die ehrliche Marianne. Trotzdem nagte auch weiterhin ein kleiner misstrauischer Wurm an ihm, der sich rührte, sobald die beiden zeigten, wie eng sie miteinander befreundet waren: wenn Marianne nur einen Satz beginnen musste und Flemming ihn vollendete; wenn Flemming Marianne bat, ihn nach Kopenhagen zu begleiten, um einen neuen Anzug auszusuchen, den er für ein Familienfest benötigte; wenn sie im Spätsommer beim Pilzesammeln konsequent, so schien es Dan, zehn Meter hinter die Gruppe zurückfielen, vertieft in ein ernsthaftes Gespräch.
Er würde sicher nie erfahren, ob er recht hatte oder nicht. Es gab zu viele Wahrheiten, die aus der Büchse kämen, sollte jemand den Deckel abschrauben. Das wussten alle drei. Also blieben sie bei der Technik, die sich in all den Jahren als ungemein effektiv erwiesen hatte: Sie schwiegen.
Nachdem sie mehrere Minuten konzentriert gegessen hatten, legte Marianne ihr Besteck beiseite und trank einen Schluck Bier. »Du hast noch immer nicht geantwortet«, sagte sie. »Wieso hast du deine Meinung über die Fahndung nach John geändert?«
Dan schüttelte die düsteren Gedanken ab und lächelte. »Ich glaube, ich bin im Trotzalter«, antwortete er. »Und wenn’s denn so sein soll, dann mach ich’s halt auf meine Art«, sagte er mehr zu sich selbst. »Ich habe mich entschlossen, das Schwein selbst zu suchen. Er hat ja offensichtlich vor, länger in der Stadt zu bleiben, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er ausgerechnet jetzt verschwindet. Er weiß ja nun, dass Benjamin hier lebt.« Dan leerte sein Glas und signalisierte dem Kellner, dass er gern noch ein Bier hätte. »Ich will herausfinden, wo John Peter Frandsen wohnt, ich will seine Autonummer wissen, seine Schuhgröße, einfach alles. Und wenn ich es habe, werde ich das gesamte Päckchen an Flemming und seine plattfüßigen Gefolgsleute schicken. Zusammen mit einem anonymen Brief, in dem steht, dass der Mann zwei Mal im Zusammenhang mit Lilliana beobachtet worden ist: Zuerst hat er in einer offenbar recht bedrohlichen Art und Weise nach Sally gefragt, die jetzt auch tot ist, und dann lag er unmittelbar nach Lillianas Tod auf einem der Oberlichter bei Kurt & Ko. Sie werden hoffentlich begreifen, dass dieses Stück Scheiße eingebuchtet gehört.«
»Dan, deine Ausdrucksweise!« Marianne ordnete die letzten Bissen auf ihrem Teller und lehnte sich zurück. »Er darf dich nicht zu Gesicht kriegen.«
»Nein, natürlich nicht.« Er klang beleidigt.
»Ich meine es ernst, Dan. Du bist ein Amateur auf diesem Gebiet und hast keine Ahnung, wie man Leute beschattet. Es kann sehr leicht passieren, dass er dich entdeckt.«
»Er weiß doch nicht, wer ich bin.«
»Ach?« Sie hielt die Zeitung hoch. »Abgesehen davon weißt du nicht, ob der Mann nicht ganz verrückt nach
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