Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
um zu sehen, ob er helfen konnte. Und als er Frau Andreasen sah, hatte er gemeint, es sei nicht notwendig. Flemming hatte allerdings keinen Zweifel, dass Frau Andreasen Brune Laurits das Leben gerettet hatte. Der Fahrer hatte gedreht, um zu sehen, ob Brune tot war oder ob er ihn noch einmal überfahren musste. Wäre die hilfsbereite Dame nicht gewesen, hätte Brune das zweite Aufeinandertreffen mit dem Unfallwagen vermutlich nicht überlebt. Leider war ihre Nachtsicht nicht sonderlich gut, sodass sie absolut nicht wusste, welche Farbe der Wagen gehabt hatte. Dunkel, hatte sie gesagt. Irgendwie dunkel.
»Ihr seid nich’ deswegen gekommen, oder? Ihr wollt mich noch was anderes fragen, nich’?« Brune kippte das Kopfteil des Bettes ein wenig an, sodass er in einer aufrechteren Position lag.
Flemming drehte sich zu ihm um. »Du bist nicht dumm«, sagte er lächelnd.
Brune klopfte mit dem Zeigefinger an den Flügel seiner hochroten Nase und versuchte, ein gerissenes Gesicht zu ziehen. »Ich kenn euch doch gut genug, nich’? Sag schon, was is’ es?«
Svend Pedersen zog eine Fotokopie der Zeitungsnotiz aus seiner Manteltasche und gab sie Brune. Nach eingehender Überprüfung der Nachttischschublade fand Brune eine Lesebrille und setzte sich zurecht, bevor er anfing zu lesen. Seine Lippen bewegten sich parallel zur Aufnahme der Buchstaben, seine Stirn runzelte sich mehr und mehr. »Wann stand das denn inner Zeitung?«, wollte er wissen und sah Flemming über den Rand seiner Brille an.
»Am 12 .«
»Dem Tag vor dem Unfall?«
»Ja.«
»Was zum Teufel haben die sich gedacht bei der Zeitung?«, brummte Brune. Er sah plötzlich alt aus. »Wissen doch alle, wer in der Anlage pennt, nich’? Das is’, das is’ ja wie ’ne Einladung, mich aus’m Weg zu räumen.« Er blickte auf. »Das glaubt ihr doch auch, nich’?«
»Wahrscheinlich war das leider so«, antwortete Flemming. »Aber es kommt noch schlimmer. Hast du gestern Abend die Nachrichten gesehen?«
»Nee, da hab ich wohl geschlafen.«
»Tja, wenn du heute Morgen in eine Zeitung guckst, wirst du sehen, was mit der Frau passiert ist, die überfallen wurde.«
»Diese Afrikanerin? Sah verdammt gut aus!« Brunes Lächeln blitzte in seinen babyblauen Augen auf, bevor die Bedeutung von Flemmings Worten in sein Bewusstsein drang. »Is’ sie … Habt ihr sie gefunden? Tot?«
Flemming nickte.
»Dann war ich Zeuge eines Mordes?« Er nahm die Brille ab, klappte sie sorgfältig zusammen und legte sie zurück in die Schublade.
»Jedenfalls des Beginns. Den eigentlichen Tatort haben wir noch nicht gefunden.«
»Bin ich in Lebensgefahr?«
»Wenn der Mörder darauf aus wäre, dich umzubringen, hätte er sich schon etwas mehr Mühe gegeben, dich hier im Krankenhaus zu finden, oder?«, erwiderte Flemming. »Aber du hast natürlich recht: Je eher wir ihn finden, desto früher kannst du wieder ruhig schlafen, Brune.«
»Was wollt ihr eigentlich von mir?«
»Wir haben einen Zeichner das Porträt eines Mannes anfertigen lassen, der möglicherweise etwas mit dem Mord zu tun hat.«
»Ja?«
»Willst du nicht mal einen Blick auf die Zeichnung werfen und uns sagen, ob sie dem Mann ähnelt, den du gesehen hast?« Flemming reichte dem Patienten noch ein Stück Papier. Jo war sehr zufrieden mit dem Resultat, als sie und der Zeichner am späten gestrigen Abend erklärt hatten, sie seien fertig. Flemming war gespannt, ob andere Zeugen es ebenso sahen.
Brune schon. »Ja, zum Teufel! Das is’ er!« Er brüllte beinahe bei dem Anblick des Mannes mit den tief liegenden Augen und der kräftigen Kieferpartie. »Seine Ohren waren vielleicht ein bisschen größer, aber sonst isses perfekt«, sagte er. »Druckt ihr Fahndungsplakate davon?«
Flemming lächelte. »Nee, so was wird eher im Wilden Westen gemacht. Wir schicken die Zeichnung heute an sämtliche Zeitungen. Bestimmt wird er von irgendjemandem erkannt, wenn er sich noch in Christianssund aufhält.« Er stand auf. »Kannst du dich erinnern, was er anhatte, als du ihn an der Marina gesehen hast?«
»Ich hab ein Gedächtnis wie ’n Elefant«, erklärte Brune und richtete sich auf, so gut es eben ging. »Eine braune Lederjacke, ein rotes T-Shirt, blaue Jeans und schwarze Arbeitsstiefel. Und denkt an diesen dünnen, fettigen Pferdeschwanz, wenn ihr ihn den Journalisten beschreibt, nich’? Der is’ nich’ zu übersehen, fast einen halben Meter lang.«
Bevor sie gingen, legte Svend Pedersen die restlichen fünf
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