Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
unschöne Geschichte gestolpert. Das war mein Ausgangspunkt. Erst habe ich ja auf gut Glück gesucht, wie sich schon bald herausstellte, hatte ich bereits sofort ins Schwarze getroffen. Sie haben die Namen gewechselt. Sogar zwei Mal. Ursprünglich hießen sie Jeanne und Mark Frandsen, vor fünfzehn Jahren änderten sie dann ihre Namen in Gitte und Michael Holm, zwei Jahre später wechselten sie erneut ihre Namen in Alice und Benjamin Winther. Ihre Adressen, Telefonnummern und solche Dinge wurden geheim gehalten, seit sie ihren ersten Namen abgelegt haben, und zwei Mal wurden sie in geschützten Wohnungen untergebracht, die ihnen die Polizei beschafft hat.«
Flemming runzelte die Stirn. »Häusliche Gewalt?«, vermutete er.
»Ja, natürlich. Fahrlässige Tötung eines jüngeren Sohnes, Invalidität der Frau. Der Mann hat einen großen Teil der Zeit gesessen. Üble Geschichte. Und das ist noch nicht das Schlimmste …«
»Nicht?«
»Er war Bulle.«
»Der Vater, der seine Frau verprügelt und ein Kind umgebracht hat? Er war Polizist, sagst du?«
»Ja. Und auch das ist noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist, dass es ihm zwei Mal gelungen ist, die Familie unter ihren Deckadressen ausfindig zu machen. Und beide Male waren es alte Kollegen bei der Polizei, die ihm geholfen haben.«
»Wo?«
»In Århus und Sønderborg.«
»Mein Gott!«
»Du kannst den Fall in diesem Stapel nachlesen.« Frank reichte Flemming einen Haufen Papier. »Der Vater hat mehrfach gesessen, wie gesagt, seinen Namen jedoch behalten. Er heißt John Peter Frandsen, und es gibt keinen Zweifel daran, dass Benjamin und seine Mutter noch immer Angst vor ihm haben. Deshalb haben sie so panisch reagiert, als Benjamins Foto in die Zeitung sollte. Frandsen hätte die beiden dadurch wiederfinden können.«
»Wo wohnt er heute?«
»Noch immer in Århus. Er hatte verschiedene Jobs: Türsteher, Taxifahrer und Hausmeister in einem Wohnkomplex. Die meiste Zeit lebte er allerdings von der Stütze.«
»Drogenprobleme?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Hast du ein Foto von ihm?«
Mit schlecht verborgenem Stolz zog Frank Janssen ein paar Fotos heraus. »Die Kollegen in Århus haben sie mir gemailt«, sagte er.
Die Bilder waren ein paar Jahre alt, aber man konnte deutlich die Gesichtszüge des Mannes erkennen. Flemming betrachtete einen Augenblick verwirrt die tief liegenden, hellen Augen, die massive Kieferpartie, den fliehenden Haaransatz. »Einen Moment mal«, sagte er, griff nach den beiden Fotos und lief in Svend Pedersens Büro. Frank folgte ihm in etwas gemäßigterem Tempo.
Pedersen schaute überrascht auf, als die beiden Kollegen hereinplatzten. Er sah, wie sein Chef sich die Phantomzeichnung von Johnny Evil schnappte, sie neben ein Schwarz-Weiß-Foto legte und triumphierend die Arme über den Kopf hob.
»Das ist er!«, rief Flemming. »Verdammt noch mal, das ist er!« Pedersen und Janssen standen jetzt neben ihm und sahen, was er meinte. Vollkommen überzeugt waren sie jedoch erst, als kurz darauf die Tür aufging und Pia Waage erschien, die Jo den Vortritt ließ.
Das Keuchen, das die junge Frau beim Anblick des alten Fotos ausstieß, war mehr als eindeutig. John Peter Frandsen und Johnny Evil waren ein und dieselbe Person. Sowohl die Mädchen in der Jernbanegade wie Alice Winther taten gut daran, in Deckung zu gehen. Die große Frage war allerdings: Wo hielt er sich im Moment auf?
Flemming wandte sich an Frank. »Fahr raus und hol Benjamin und seine Mutter, Janssen. Sie müssen wissen, dass John Peter Frandsen erst vor ein paar Wochen in der Stadt gesehen wurde. Wenn sie wollen, können wir ihnen ein Versteck anbieten, zum Beispiel in einem Hotel. Nur so lange, bis Frandsen hinter Schloss und Riegel sitzt. Und dazu kommt es hoffentlich bald.« Er sah Pia Waage an. »Du fährst Jo nach Hause und bleibst bei ihr, bis wir ihn gefunden haben. Ich rufe die Kriminalpolizei in Århus an und bitte sie zu überprüfen, ob der Mann eventuell zu Hause ist.«
Flemming Torp ging in sein Büro. Auf seinem Schreibtisch lag ein weißer DIN -A 4 -Umschlag. Mit schwarzem Filzstift hatte ihn jemand an Flemming persönlich adressiert, er erkannte die Handschrift sofort. Dan war hier gewesen. Bevor er den Umschlag öffnete, rief er bei der Wache an. »Auf meinem Schreibtisch liegt ein Umschlag?«
»Ja, den habe ich dort hingelegt«, sagte der Wachhabende. »Ist damit etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, keineswegs.« Warum musste der Mann immer gleich eine
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