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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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nicht schwer, die junge Irma im Kind Irma wiederzuerkennen, und deine Mutter wiederzuerkennen schon gar nicht. Als ich dich zum erstenmal auf der Straße sah, habe ich dich sofort erkannt. Du mußt etwa fünfzehn gewesen sein und warst in Begleitung deiner Mutter. Es war eine Zufallsbegegnung, aber irgendwie ist so was ja kein Zufall. Es war vorherbestimmt, daß wir einander treffen würden. Davon bin ich überzeugt. Daß meine Tante dort wohnt, wo sie wohnt, ist kein Zufall. Ich fand heraus, wer ihr seid. Und konnte meine Nachforschungen mit dem, was mir mein Onkel und mein Vater in meiner Kindheit erzählt haben, verknüpfen. Als ich fand, daß du alt genug warst, und ich meine Lust auf dich nicht länger zähmen konnte, leitete ich den Kontakt ein. Den glücklichsten Kontakt meines Lebens. Was ich weiß, habe ich von meinem Onkel und meinem Vater erfahren. Und in Büchern gelesen. Genau wie du habe ich versucht, die vergessene, verborgene Geschichte zusammenzustückeln.«
    Er machte eine Pause, nahm einen Schluck Rotwein, stellte das Glas wieder auf den Boden, zündete sich eine Zigarette an und ließ mich ein paarmal ziehen. Ich hob den Kopf nicht vom Kissen, ich schaute ihn nur an, gefesselt von seiner Erzählung, seinen sanften Händen, die weiter über meinen Körper streichen sollten, dem suggestiven Klang seiner Stimme und der Vorstellung von einem Dänemark, das an einem dunklen, regennassen Weihnachtsabend wie diesem, an dem sich niemand draußen aufhält, in eine märchenhafte Stille gehüllt war.
    Wir rauchten die Zigarette abwechselnd zu Ende, bevor er fortfuhr. Es gab nur uns beide, wir hatten alle Zeit der Welt.
    »Mein Vater war nicht an der Front. Auf ihn komme ich später zurück. Mein Onkel hieß Karl Viggo. Wie Tausende anderer nahmen er und Vater nach dem deutschen Einmarsch 1940 in Deutschland Arbeit an. Sie hatten keine andere Wahl. Sie hätten sonst jegliche finanzielle Unterstützung verloren. Sie waren vom Ordnungssinn und von der Disziplin der Deutschen begeistert und davon, daß sie Arbeit für alle geschaffen hatten. Eigentlich war er Sozialdemokrat, aber nachdem sogar Staatsminister Stauning von der Unvermeidlichkeit der europäischen Neuordnung gesprochen hatte, war der Schritt zum Nationalsozialismus nicht mehr weit. Die Juden als Wurzel alles Bösen zu betrachten war einfach für sie. Denn die Juden waren das Symbol des Kapitalismus. Die Pfandleiher, waren das nicht schon immer Juden? Selbst in Shakespeares Stücken. Sah der Dichter Johannes V. Jensen die nordische Rasse nicht als etwas Besonderes an? Sprachen nicht besonnene Männer im staatlichen Rundfunk von der deutschen Neuordnung? Forderte die Regierung etwa nicht zur Zusammenarbeit auf? Mein Vater war kein gebildeter Mann. Er war ein gewöhnlicher dänischer Schmied, der sich um seine Angelegenheiten kümmerte und für seine Frau und sein kleines Kind sorgte, das ich war. Karl Viggo meldete sich zum Freikorps Dänemark, aber mein Vater wurde für untauglich erklärt. Sein Rücken hatte unter der harten Arbeit gelitten, der er seit seinem zwölften Lebensjahr nachging. Aber ab 1942 besuchte er Parteisitzungen, verteilte Zeitungen und forderte im Rundfunk gute dänische Männer auf, sich für das Freikorps Dänemark zu melden. Seit Ende 1943 hat er nicht mehr an die Sache geglaubt, aber er blieb in der DNSAP, unter anderem weil Karl Viggo an der Ostfront für Gott und Dänemark kämpfte. Er wollte seinen großen Bruder nicht im Stich lassen. Karl Viggos letzter Heimaturlaub war im Mai 1944. Sie gingen zusammen essen, ein bescheidenes Mittagbrot. Karl Viggo war in Uniform. Sie saßen isoliert von den anderen. Den Dänen war klargeworden, daß der Krieg für die Deutschen verloren war, sie zogen sich langsam von ihnen zurück und vergaßen die Worte von der Zusammenarbeit und der Anpassung. Auch damals waren die Dänen ein opportunistisches Völkchen. Zwei Tage nachdem Karl Viggo an die Front zurückgereist war, wurde mein Vater in Aalborg auf offener Straße erschossen. Zwei Männer paßten ihn ab und schossen ihm siebenmal in den Rücken und noch einmal in den Kopf, als er in einer Blutlache auf dem Pflaster lag.«
    Im Schlafzimmer war es ganz still. Von der weihnachtsleeren Straße drang kein Laut zu uns herein. Ich sah den Schmerz in E.s Augen. Ich stand auf und holte Rotwein und neue Zigaretten.
    »Nach dem Krieg fiel das unter Denunziantenliquidierung, aber es war vorsätzlicher Mord«, sagte E. mit bitterer Stimme. »Mutter

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