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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Zeitung.
    »Mein Kollege hier schreibt, daß ihr nicht das mindeste gegen sie in der Hand habt.«
    »Steht das in der Zeitung?« fragte er ehrlich erstaunt, obwohl ihn nur noch wenig von dem Zeug, das die Journalisten schrieben, überraschte.
    »Na ja, nicht mit diesen Worten, aber sinngemäß.«
    Eine Stunde später, in eine Wolke blauen Zigarettenrauchs gehüllt, sagte Jette Vuldom genau dasselbe.
    »Die Presse hat recht. Du hast nicht das mindeste gegen sie in der Hand, Toftlund. Wir kriegen keine Verlängerung. Und die kleine Irma ist eine gerissene Teufelin, die eine klare Aussage gemacht hat: Sie redet nicht. Sie weiß, daß wir nichts beweisen können und daß die Tatsache, daß wir ihr keinen Zugang zu Geheimnissen nachweisen können, uns in dem Fall – Herr Toftlund – sehr alt aussehen läßt. Aber gib mir gefälligst, was du hast, dann rollen wir es von da aus auf.«
    Als er mit seiner furchtbaren Geschichte aus Prag zurückgekehrt war, hatte Vuldom Sympathien gezeigt, aber sie saß nicht auf ihrem Posten, weil mütterlicher Instinkt ihr hervorstechendster Charakterzug war. Als er es ablehnte, ein paar Tage frei zu nehmen, um die Erlebnisse zu verdauen, und über ihr Angebot, die Hilfe eines Psychologen zu beanspruchen, lachte, verschwendete Vuldom keine Zeit mehr mit diesen, wie sie es nannte, persönlichen Aspekten. Die Informationen aus Prag wurden in Berichtform festgehalten und in das stetig dicker werdende Dossier gelegt, das Irmas bekanntes und heimliches Leben enthielt. Mit Hilfe der Durchsuchungsbefehle konnten sie mit dem Segen des Gerichts in die privatesten und intimsten Bereiche ihres Lebens eindringen, um den Beweis oder die Indizienkette zu finden, die zunächst zu einer Verlängerung der Einzelhaft und später zu einem gerichtlichen Urteil führen würden. Dies war das eigentliche Ziel der ganzen Operation. Die Abrechnung der Gesellschaft. Die Rache der Gesellschaft. Dabei mußten auch Unschuldige erleben, daß Facetten ihres Lebens enthüllt wurden, von denen sie gehofft hatten, sie würden bis ans Ende ihrer Tage geheim bleiben. Aber ein Kriminalfall hat noch andere Opfer als nur die unmittelbar Beteiligten. Hier jedoch schien die Delinquentin den Staat um seine Rache prellen zu wollen, obwohl dieser mit der langen Untersuchungshaft der Öffentlichkeit bereits über die Presse mitgeteilt hatte, daß die Bürgerin aller Voraussicht nach schuldig war.
    Der Kern der Ermittlungsgruppe hatte sich zur Lagebesprechung in Vuldoms großem Büro getroffen. Draußen versprach die Sonne einen baldigen Frühling, und Toftlund freute sich auf die Ferien, die ihm noch zustanden, und den Vaterschaftsurlaub, den er beantragt hatte, obwohl sich die älteren Kollegen darüber lustig gemacht hatten. Für die jüngeren war es eine Selbstverständlichkeit. Er stand auf, ging im Raum auf und ab und sah sich um. Er konnte nicht still sitzen, wenn er sprechen sollte. Anwesend waren außer Chefin Vuldom, ihrer treuen Sekretärin Lene Nielsen und ihm selbst noch der mittelaltrige Bjergager, der die Berichte sammelte und koordinierte, sowie Toftlunds engste Mitarbeiterin Charlotte Bastrup, die er mittlerweile bewunderte und, so fürchtete er, auch begehrte. Sie war schlank und nicht sehr groß; der Erfolg ihrer Bewerbung bei der Polizei muß seinerzeit an einem seidenen Faden gehangen haben, immerhin wurde damals eine Körpergröße von 165 Zentimetern verlangt. Sie hatte sehr kurzes, glattes schwarzes Haar und legte, vom diskreten Make-up über die kleinen gepiercten Ohrringe bis hin zu ihrer praktischen, aber eleganten Kleidung, großen Wert auf ihr Aussehen. Ihr Gesicht war ein bißchen rundlich, die Lippen waren gerade, schmal und recht gewöhnlich, aber ihre Augen waren phantastisch, sie waren strahlend und hatten braune und graue Einsprengsel. Sie stammte vom flachen Lolland, hatte aber polnische Vorfahren. Ihre Selbstsicherheit war einfach sexy, sie wußte um ihre erotische Ausstrahlung und ihre analytische Begabung, die ihr eine rasante Karriere beschert hatten. Die meisten ihres Jahrgangs hatte sie längst hinter sich gelassen. Er wußte, daß sie allein wohnte. Irgendwo in 0sterbro. Jedenfalls kam sie mit dem Fahrrad zur Arbeit, aber über ihr Privatleben sprach sie nicht viel. Er wußte, daß sie 32 Jahre alt war und eine verdammt tüchtige und sorgfältige Ermittlerin, mit der zusammenzuarbeiten ein Privileg war. Toftlund hatte an weiblichen Kollegen nicht im entferntesten etwas auszusetzen. Aber er

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