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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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sich und sagte:
    »Ich weiß, daß die Russen gegen den Krieg sind und in dieser Sache in gewissem Sinne Freunde der Serben, aber es sieht ihnen nicht ähnlich, so weit zu gehen, daß sie sowohl einen ihrer Agenten kompromittieren als auch – und das ist noch wichtiger – uns verraten, daß sie tatsächlich eine komplette Liste der alten Maulwürfe und illegalen Mitarbeiter der Stasi besitzen und damit ein Schatzkästchen und eine Erpressungsmöglichkeit. Aber man könnte ja von ihnen fordern, die Liste zu veröffentlichen. Willst du das sagen, Chefin?«
    Vuldom lächelte und nickte wie eine Volksschullehrerin, die gerade einen fleißigen Schüler abgefragt hat.
    »Genau. Die Belohnung dafür, daß wir erfahren, daß sie eine Kopie von Wolfs altem Netzwerk haben, muß also hoch gewesen sein. Was sie auch war. Der Zugang russischer Techniker zur geheimsten amerikanischen Stealth-Technologie war eine Belohnung, die für sie von unermeßlichem Wert war. Trotz der Beendigung des kalten Kriegs möchte Rußland diese Technologie auch gerne besitzen. Und mit der Kenntnis der Einflugbahnen hatten sich die Chancen für die jugoslawische Luftabwehr plötzlich sehr verbessert. Denn nun gab es auf einmal die Möglichkeit, einen Stealth-Bomber abzuschießen und den Russen Zugang zu dieser heimlichen Technologie zu verschaffen. Und Rußland damit zu ermöglichen, seinen eigenen Stealth-Bomber zu bauen, den sie dann an die Iraner oder Chinesen verkaufen können, oder wer heutzutage sonst noch russische Waffen kauft. Das wäre also den Preis wert, auch wenn damit geheimes Wissen enthüllt oder ein Agent kompromittiert würde.«
    Toftlund sagte:
    »Aber wer ist E.?«
    »Ja, wer ist E.?« sagte Vuldom. »Was sagt das Archiv? Über die Liquidierungen während des Krieges? Habt ihr etwas gefunden?«
    Toftlund ging zu Charlotte, die ihm ein Blatt Papier reichte. Er überflog es und sagte:
    »Die Widerstandsbewegung hat 1944 und 1945 zirka vierhundert Liquidierungen durchgeführt. Nach dem Krieg gingen Vertreter der Widerstandsbewegung die ungeklärten Tötungen durch, und wenn man sie als Denunziantenliquidierungen einstufte, wurde die Sache eingestellt. Seitdem haben weder Journalisten noch Historiker oder andere Wissenschaftler Lust gehabt, in der Angelegenheit herumzustochern. Das alles ist nach wie vor sehr tabuisiert. Keiner hat Augenzeugen oder Hinterbliebene aufgesucht. Sowohl für die Schützen als auch für die betroffenen Familien ist es ein Trauma. Der Großteil der unmittelbar Beteiligten ist tot. Viele Hinterbliebene haben ihren Namen geändert, haben wieder geheiratet und so weiter. Es sind vergilbte Untersuchungsakten. Sie haben uns nicht weitergebracht. Wir haben keinen jungen Mann gefunden, der zu dem Profil von E. paßt, das Irma beschreibt. Das ist schlicht ein blinder Fleck in der dänischen Geschichte. Die meisten Hinterbliebenen sind unauffindbar. Wir haben nicht einen von ihnen finden können, der heute einer Arbeit nachgeht, die ihm den Zugang zu vertraulichen Informationen ermöglicht. Aber E.s Mutter kann wieder geheiratet und ihr Geheimnis mit ins Grab genommen haben. Das ist der Regelfall.«
    Toftlund sah sie mit dem Ausdruck des Bedauerns an.
    »Dann müssen wir anders fragen«, sagte Vuldom. »Wer weiß, wer E. ist?«
    »Irma weiß es. Aber sie will es nicht sagen. Ich bin davon überzeugt, daß Irma zwar Edelweiß, aber nicht selbst der Spion ist. Sie ist die Brieftaube des Spions. E. hat überlebt, weil er die ganze Zeit mehrere Filter zwischen sich und den Empfängern seiner Berichte gehabt hat. Vielleicht war’s der KGB. Vielleicht die Stasi. Vielleicht beide. Irma war einer dieser Filter. Nicht einmal die normalen Führungsoffiziere der Stasi oder früher des KGB kannten E.s Identität. Womöglich nur der oberste Chef. Er war ein Spitzenspion, auf den man achtgab. Er lieferte mit Hilfe menschlicher Brieftauben wie Irma. Aber es gab mehr als eine Irma in seinem Leben.«
    Toftlund sah Vuldom an. Sie nickte.
    »Ich bin zum gleichen Schluß gekommen wie du«, sagte sie. »E. is our man. Er glaubte das Heilige Grab gut verwahrt, aber immer gibt es noch einen weiteren Auftrag. Wenn man seine Seele erst mal dem Teufel verkauft hat, gibt es keinen letzten Auftrag.«
    »Und die andere Schwester? Die heimliche?«
    Toftlund war gespannt, ob Vuldom auch hier das gleiche dachte wie er. Anscheinend ja.
    »Ich kann dir gut folgen, Per. Vielleicht war E.s richtiger Name die Fremdwährung, die Mira Majola oder Maria

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