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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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noch etwas sagen, aber ich schloß die Tür, verriegelte sie und legte laut und vernehmlich die Sicherheitskette vor. Ob sie es jetzt kapiert hatte?
    Ich ging ins Bad und setzte mich auf die Toilette. Der Schmerz kam ohne Vorwarnung wie ein Messer, das sich in meine rechte Lende bohrte und herumgedreht wurde. Einen solchen Schmerz hatte ich noch nie erlebt. Ich wußte nicht, daß etwas so weh tun konnte. Es war wie ein weißglühendes Eisen, das quer über den Rücken bis in den Nacken gezogen wurde, und ich hatte das Gefühl, ich müsse sterben. Keinen stillen und friedlichen Tod in meinem Bett. Sondern eingeschlossen auf einem Klo in Preßburg und mit einem neuen Wissen über meine Vergangenheit, auf das ich liebend gern verzichtet hätte.

3
     
    D ie Nacht war schrecklich, der Morgen noch schlimmer. Es gibt kaum etwas so Lächerliches wie einen Hexenschuß. Und genau den hatte ich. Einen ganz gewöhnlichen, ganz fürchterlichen Hexenschuß, der sich in vielerlei Hinsicht als bedeutsam erweisen sollte. Ich kann mich kaum noch erinnern, wie ich ins Bett kam. Die Schmerzen schnürten sich wie ein Stacheldrahtgürtel um meine Lenden, aber das war nicht das Schlimmste. Am schlimmsten war die Hilflosigkeit, daß ganz gewöhnliche, alltägliche Bewegungen so gut wie unmöglich wurden. Ich habe mir die Zähne geputzt, mich ausgezogen und flach auf den Rücken aufs Bett gelegt. Dort schaute ich an die Decke und tat mir selber leid. Ich hätte mir die Geschichte durch den Kopf gehen lassen sollen, die mir soeben erzählt worden war, aber ich konnte nichts anderes empfinden als Schmerzen. Daß einem nicht zwei Körperteile zugleich weh tun können, ist völliger Quatsch. Mir taten die Zähne weh und der Rücken auch.
    Ich wachte wie üblich gegen halb sieben auf und glaubte einen kleinen glücklichen Augenblick lang, das Ganze sei nur ein Alptraum gewesen, das heißt sowohl die Geschichte als auch die Schmerzen, aber die Erleichterung dauerte nur einen Moment. Ich wollte die Beine aus dem Bett schwingen wie sonst auch, aber es ging nicht. Ich lag in Unterhosen unter der Bettdecke und konnte mich nicht rühren. Von der Straße drang der morgendliche Verkehr zu mir herauf. Dieses klappernde Geräusch neuerer Modelle und der alten Ostkisten, die auf der breiten Straße zwischen dem Hotel Forum und dem Präsidentenpalast vorbeifuhren. Es gab noch andere Menschen auf der Welt. Sie hatten Glück. Sie hatten ihre Bewegungsfreiheit. Sie gingen zur Arbeit, ohne darüber nachzudenken, wie privilegiert sie waren. Der große Dozent mit den wissenschaftlichen Werken und den tollen Frauen war dagegen wie ein Baby. Er konnte nicht mal aus dem Bett krabbeln. Er konnte nur an die Decke starren und Rückenschmerzen haben und sich selbst bemitleiden und sich als fremde Person in einem schlechten Film wahrnehmen.
    Wie es mir dann doch gelang, daran kann ich mich kaum erinnern. Ich kann mich nur noch an den Schmerz erinnern, aber ich hielt mich am Kopfende fest und zog mich in eine sitzende Position, wobei mir von drei bis vier Folterknechten, die ihr Handwerk von den großen Meistern der Gestapo und des KGB gelernt hatten, Eispfrieme in den Rücken gestoßen wurden. Das dauerte einige Minuten, und dann saß ich noch einige Minuten mit beiden Füßen auf dem Boden, während ich meine Atmung unter Kontrolle zu bringen versuchte. Ich fühlte mich vollkommen lächerlich. Ich dachte daran, Lasse anzurufen, aber das wäre noch lächerlicher gewesen. Ein erwachsener Mann hat keine Lust vorzuführen, daß er nicht selber aus dem Bett kommt, nicht in der Lage ist, ins Bad zu gehen und sich anzuziehen, um daraufhin wie selbstverständlich seinen Koffer zu packen und den Bus nach Budapest zu nehmen. Es war einfach zu bescheuert.
    Ich blieb ein wenig sitzen und bereitete mich auf den Schmerz vor. Er war genauso schlimm, wie ich es erwartet hatte, als ich mit Hilfe beider Hände zuerst die Bettkante und dann, als ich drauf und dran war, wie ein Trunkenbold nach einer langen nächtlichen Reise ins Vergessen zu taumeln, das Kopfende ergriff und mich hochziehen konnte, während sich die Folterknechte mit sadistischer Wonne an mir verlustierten. Dann stand ich. Mit Unterhose und zuviel Fett in der Bauchgegend und kurz davor, vor Wut und Erniedrigung zu heulen, aber als ich stand, wurde es besser, und es wurde noch besser, als ich meinen Rücken von einer heißen Dusche massieren ließ. Aber die demütigende Hilflosigkeit war sofort wieder da, als ich mich

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