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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Mann, der in seinem Element ist. Er blickte sich um. Freute sich offenbar über das, was er sah. Die anmutige, zarte Landschaft. Die frisch ausgeschlagenen Laubbäume, die blühenden Büsche. Die kleinen hellgrünen Brennesseln. Die friedliche, wohlgeordnete dänische Landschaft mit den funktionalistischen, neu erbauten roten Häuschen und einem Bauernhof am Fuße eines Hügels. Als machten sie einen ganz normalen Spaziergang an einem ganz normalen dänischen Sommermorgen.
    »Per. Ich bin noch nicht sehr lange in dem Job, aber ich habe erkannt, daß Idealismus oder Moral das eine ist und praktische Politik das andere. Wir sind neu in der feinen Gesellschaft. Wenn Washington und Brüssel sagen, daß es sich so verhält, muß ich das akzeptieren.«
    »Das ist ja einfach.«
    »Nein, das ist schwer. Aber es ist realistisch. Wir operieren in der wirklichen Welt. Die hat ihre eigenen Gesetze. Entweder ich erkenne sie an oder ich kehre in meine sichere, verantwortungsfreie Akademikerwelt zurück.«
    »Und Pavel Samson?«
    Gelbert blieb stehen, aber Freya fing gleich wieder an zu jammern. Er beugte sich über den Wagen und sagte etwas in seinem offensichtlich beruhigenden Polnisch, denn Freya hörte auf zu weinen. Er ging ruhig weiter und sagte:
    »Ich weiß, du fühlst dich schuldig. Hör auf damit. Ich habe daran gedacht, ob nicht in Wirklichkeit du das Ziel gewesen sein könntest. Oder ihr beide. Pavel versuchte, seine alte Liebe zu beschützen, indem er dich in die Irre führte. Aber der russischen Mafia ist das egal. Ihr wart beide etwas, auf das man gut verzichten konnte. Diesen Leuten bedeutet ein Menschenleben nichts. Besser, jemanden aus dem Weg zu schaffen, als ein Risiko einzugehen. Schlägst du nicht auch eine Fliege tot, damit sie nicht mehr summt und sich vermehrt?«
    »Trotzdem.«
    »Es war nicht deine Schuld, Per.«
    Sie gingen schweigend weiter. Toftlund hatte noch etliche Fragen, aber irgendwie war es ihm auch egal. Er steckte in einem ganz anderen Rhythmus, der nur mit Lise und Freya zu tun hatte. Mit ihrem kleinen gemeinsamen Alltag und damit, genug Schlaf zu kriegen, wenn ein Baby im Haus war.
    Eigentlich hatte er an die Sache kaum noch gedacht, aber Gelbert hatte einen wunden Punkt berührt, daß er sich nämlich schuldig fühlte, weil er zu spät gekommen war. Und das nicht nur einmal.
    Sie erreichten das Haus. Lise stand draußen. Toftlund winkte. Es wurde ihm auf einmal bewußt, wie gut sie aussah. Wann hatte er sie zuletzt als Frau wahrgenommen? Wann hatte er sie zuletzt begehrt und nicht nur beschützen oder versorgen wollen? Sie trug ein helles T-Shirt und blaue Shorts und hatte die Haare mit einer Spange gebändigt. Nackte Füße in Sandalen. Sie sah jung und verletzlich und sehr attraktiv aus, und er war stolz und froh zugleich. Gelbert überließ ihm den Babyjogger, trat vor und küßte Lise galant die Hand, bevor er Toftlund die Hand gab und sagte:
    »Bis bald, Per. Du bist ein privilegierter Mensch. Du mußt das zu schätzen wissen.«
    Per nahm das Kind aus dem Wagen und reichte es Lise. Freya jammerte wieder, wurde aber sofort ruhig, als sie Lise spürte, die den Schnuller in ihrem kleinen Mündchen hin und her drehte.
    Der Fahrer in dem neuen BMW mit den blauen Nummernschildern der polnischen Botschaft drehte den Zündschlüssel um. Gelbert machte die Tür auf und wollte sich auf den Rücksitz setzen. Toftlund sah ihn an und hatte plötzlich einen Einfall, von dem er nicht wußte, woher er kam. Mit elastischen Schritten ging er zu dem Wagen und faßte Gelbert am Arm.
    »Weißt du, an was ich denke, Konstantin?«
    »Nein, Per. An was denn?«
    »Wie seltsam es ist, daß da soviel über einen serbischen Spion irgendwo im NATO-Apparat spekuliert wurde. Wer war es? Wo ist er? Es waren ja nicht nur wir, die ihn gesucht haben. Das war eine richtig ernste Angelegenheit. Aber jetzt, wo der Krieg gewonnen ist, hat man es furchtbar eilig, die Geschichte zu den Akten zu legen.«
    Gelberts Hand ruhte auf der Autotür. Der Fahrer blickte geradeaus und benahm sich wie die drei Affen, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen.
    »Ich finde, du solltest dich um dein Kind und deine Frau kümmern, Per.«
    Toftlund hielt seinen Arm fest.
    »Aber wenn der Spion nun existiert?«
    »Na und?«
    »Dann könnte es theoretisch so sein, daß irgendein Geheimdienst ein besonderes Interesse daran hat, die Sache zu begraben. Und womöglich clever genug war, eine ganz andere, dritte Ermittlung zu benutzen, um etwas

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