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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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sehen. Er richtete plötzlich seinen Blick auf sie, gehässig, neugierig, er maß sie präzise, als wollte er ihren Ort und Standpunkt bestimmen. –Klar, du stößt sie runter und machst das Fenster zu. Du mußt nichts begreifen, du mußt nicht begreifen, daß Dinge geschehen sind. Daß es wie eine Narbe brennt, daß wir nichts verzeihen, nie etwas verzeihen, weil das nichts ändert, weil wir uns nur abwenden können oder eben nicht. Aber es ist alles aufgelistet, egal, ob einer es weiß oder nicht. Und ich habe dich gesehen.
    –Jim? Isabelles Stimme klang piepsig. –Es ist so nett, dein Gesicht zu sehen, fuhr Jim fort, man denkt immer, dir ist nichts zugestoßen, dir wird nichts zustoßen. –Jim? Vergeblich versuchte sie, ihrer Stimme Halt zu geben.
    –Ach, sei ruhig. Er wandte sich zum Gehen, dann fiel ihm ein, daß er die Tür abgeschlossen hatte. Als er sie wieder anschaute, verzog er das Gesicht. –Wie hübsch du bist. Du siehst ihr ähnlich. Nur sieht man in deinem Gesicht nichts, alles glatt und fein. –Wem sehe ich ähnlich? Jim? Wer ist es, dem ich ähnlich sehe? Er antwortete nicht. –Jim? Ich habe der Katze nichts getan. Es war ein Unfall, es muß ein Unfall gewesen sein.
    –Nein, du hast der Katze nichts getan. Gar nichts hast du getan, nicht wahr? Du würdest jetzt mit mir schlafen, wenn ich es wollte. Warum eigentlich? Weil du mich hübsch findest? Oder vögelt dich dein Mann nicht? Du würdest ihn betrügen, und dann würdest du sagen, daß du nichts getan hast, nicht wahr? Ich will aber gar nicht. Er nahm den Schlüssel. –Gib mir hundert Pfund.
    Sie starrte ihn an. –Ja, Jim grinste, ich sehe, daß da Geld liegt. Ich will aber, daß du es mir gibst. Persönlich, gewissermaßen. Verstehst du? Als kleines Geschenk.
    Das Telefon klingelte, sie wollte danach greifen. Jim schüttelte den Kopf. –Nein, meine Kleine. Das Telefon läßt du liegen. Du kommst hierher und gibst mir das Geld. Wieder hörten sie die Ansage, dann Alistairs Stimme. –Wenn du nach Hause kommst, ruf an, wir wollen später essen gehen. Sie ging zur Kommode, bemüht, soviel Abstand wie möglich von Jim zu halten. Es waren Zwanzig-Pfund-Noten, sie nahm alle. –Abzählen, befahl Jim. Ich möchte genau hundert.
    Sie zählte, streckte ihm das Geld hin. Er wartete, nahm es, –und einen kleinen Kuß, zum Abschied. Seine Lippen waren kalt. Er hob die Hand, faßte sie am Kinn, sie zuckte zurück, doch er streichelte sanft ihre Wange, verhielt kurz bei dem Leberfleck, stupste ihn und ließ sie los. –Ich werde es dir beibringen, du wirst sehen, ich bringe dir bei, wie man etwas nicht vergißt. Dann ging er; den Schlüssel ließ er stecken.

33
    Polly kam nicht zurück. –Der kleine Schmarotzer, sagte ihr Vater gleichgültig, ist doch gut, wenn sie weg ist. Sara preßte sich ans Sofa, schmiegte das Gesicht an die Überdecke, flüsterte dem Tiger etwas zu. –Hör auf, alles abzulecken! Der Schlag traf sie unvorbereitet, aber es tat nicht weh, weil das Polster nachgab. –Verdammte Scheiße, müßt ihr zwei die ganze Zeit heulen! Ihre Mutter stand auf und ging in die Küche, wenn Dad das sagte, manchmal lief sie aus dem Haus, dann folgte er ihr. Rannte ihr hinterher und brüllte. Rannte ihr hinterher, und beide kamen nicht zurück, erst am nächsten Tag oder zwei Tage später, Mum fragte als erstes, ob Dave zurück sei, und Sara log, er sei dagewesen, er habe gesagt, er würde Polly suchen und wiederkommen, und Dad lachte höhnisch und fragte, ob Polly auch dagewesen sei und Dave suchen würde. –Von mir aus können beide wegbleiben, sagte er, Mum ging in die Küche, um zu weinen, und Sara verkroch sich hinters Sofa.
    Sie machte jetzt wieder jede Nacht ins Bett, aber keiner merkte es, weil Dave nicht kam, und Mum schimpfte nur, weil es stank, und sie riß das Fenster auf und fing an zu schimpfen. Daß man die Matratze wegschmeißen müsse. Sie sagte es anklagend, und Dad starrte sie fassungslos an. –Eine neue Matratze? Für das Kind? Ist dir klar, daß sie zurückgeblieben ist? Sie wächst nicht, brüllte er und zog Sara hinter dem Sofa heraus, –schau dir das an. Er packte sie am Arm und hielt sie fest. –Oder nennst du das wachsen? Weißt du, ich frage mich allmählich, ob sie von mir ist. Schau sie dir an. Taugt vielleicht als Köder in ’ner Mausefalle. Neue Matratze! Hör mal, mein Leben hab’ ich mir anders vorgestellt. Sie pinkelt ins Bett, das ist es. Und wo ist die Katze, die ihr so fettgefüttert habt? Am

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