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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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Herzinfarkt krepiert oder wie?
    Manchmal stand er ganz still und stierte auf den Tisch, der leer war bis auf einen Aschenbecher, ordentlich, sauber, das braune Holz abgewischt, man konnte die Maserung erkennen, Linien und Bögen, auseinanderlaufend, ineinander übergehend, darin Inseln aus Astlöchern. Sara wischte den Tisch ab, rieb jedes einzelne Astloch mit dem Handtuch nach, aber das sah er nicht, nur den leeren Tisch. Der Tisch, an dem Mum und er und Dave und Sara gesessen hatten, und Polly war ihnen um die Beine gestrichen, schnurrend, bettelnd. –Fahrt zur Hölle. Er sagte es oft, und Sara wollte Dave fragen, was er meinte, aber Dave war nicht da. –Weißt du noch, wie wir eingezogen sind, vor zwei Jahren? fragte Mum in der Küche. Sie rauchte. Sie ließ die Asche auf den Boden fallen. Überall gab es winzige Staubkörnchen, schwebend, wie mit Fallschirmen, Prinzessinnen, die ihren Prinzen suchten. –Wie deine Puppen, nur kleiner, hatte Dave erklärt, –sie gleiten sacht, wie aus einem riesigen, blauen Himmel, siehst du? Aber Sara sah sie nicht mehr. Die Asche fiel auf den Boden, und sie starrte den Rauch an, der von der Zigarette aufstieg. –Wo ist Polly? fragte Mum.
    Die Frau hatte ihr die Jacke umgehängt und nicht wiedergewollt, eine blaue Wolljacke, weicher als alles, was Sara kannte. Hinter dem Sofa versteckt, hinter dem Sofa und unter der Decke mit dem Tiger, wo keiner suchen würde. –Sara! rief Mum. Ist Polly nicht zurückgekommen? Zwei- oder dreimal war Polly zurückgekommen, nachdem die Frau sie mitgenommen hatte auf die andere Seite des Gartens, und dann nicht mehr. Dad wiegte den Kopf, starrte den leeren Tisch an. Er und Mum und Dave und Sara, die Katze unterm Tisch, –verdammte Scheiße, rief er und hieb auf den Tisch. Zu essen bekomme ich wohl auch nichts mehr?
    –Siehst du, hatte Dave ihr gesagt, wenn er diesen Gesichtsausdruck hat, dann fängt er gleich an zu pfeifen, und dann dauert es noch fünf Minuten, bis er ausrastet, siehst du? Er hatte Sara bei der Hand genommen und sie ins Kinderzimmer gezogen. Aber jetzt war er nicht da. Sie zwängte sich hinters Sofa und tastete nach der Jacke. Vielleicht mußte sie die Jacke zurückbringen, damit Polly wiederkam, die Jacke zu der Frau bringen, weil sie ihr gehörte, weil man eines gab und ein anderes bekam. So, wie man etwas gutmachte, wie Dave ihr gesagt hatte, daß sie es gutmachen mußte, wenn sie ihn geärgert hatte. Nur war das mit Polly anders, und sie wußte es. Ihre Schuld. Schuld. Weil sie Polly geschlagen hatte. Weil sie nicht gut war, nicht wuchs. Die Jacke versteckt, unters Sofa gequetscht und dreckig. Sie lutschte, kaute. Weil die Frau sie gesehen hatte, gesehen, im Garten, mit dem Pferd, mit ihrem Spieß, mit ihrer Lanze, so wie sie früher mit Dave gespielt hatte, daß sie den Tiger mit einer Lanze umbrachten, –du mußt genau aufs Auge zielen, hatte Dave ihr gesagt, dann ist er tot. –Ich wollte nur den Drachen erschlagen, flüsterte sie. Sie mußte es Dave sagen, mußte es der Frau sagen und ihr die Jacke zurückbringen. –Jetzt ist sie schon wieder hinter dem Sofa, brüllte Dad. Kannst du dich nicht endlich ordentlich um sie kümmern? Du wolltest noch ein Kind, schrie ihr Vater, als hätten wir nicht schon genug am Hals. Er zog sie hinter dem Sofa hervor. –Verschwinde, kapierst du? Sie rannte ins Zimmer. Dave würde Polly lebendig machen. Sie war tot, deshalb kam sie nicht. Dave würde sie lebendig machen. –Soll er doch sehen, wo er bleibt, hörte sie ihren Vater, sich bei uns durchfressen, und wenn er alt genug ist, mitzuhelfen, haut er ab?
    Komm, little cat, flüsterte Dave ihr zu. Sie vergrub ihr Gesicht in seinem Kissen. Komm! Aber dann sah er Polly, wandte sich ab und ging.

    Am nächsten Morgen drehte sie sich um und horchte. Das Bett war naß, sie zog die Decke über die nasse Stelle und wickelte sich hinein. Jetzt war niemand mehr da. Von der Straße hörte sie die Glocke, der Mann mit seinem Handwagen zog vors Haus und rief, sie rannte schnell ans Fenster, sah, wie er mit der Glocke bimmelte, aber er rief nicht nach ihr, der Karren war leer, er winkte nicht und sah nicht zu ihr her, obwohl sie zurück ins Zimmer gerannt war, die Puppe holte, mit der sie nicht mehr spielte, die Puppe ans Fenster hielt, die aufgerissenen Beine fest umklammert, sie schwenkte die Puppe, damit er endlich hinsah und sich erinnerte, damit er wußte, daß sie hier war, mit ihrer Puppe, die er auf den Zaun gespießt hatte, damit er

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