Die Habenichtse: Roman (German Edition)
war es, als hätte er einen falschen Namen und keine Adresse mehr. Alberts Gesicht war rot und aufgequollen. Er machte sich wieder Sorgen, wegen der Kontrollen, weil Ben kontrolliert worden war, sie hatten ihn nach Hause begleitet, wo zum Glück niemand gewesen war, aber natürlich sah man, daß er dort nicht alleine wohnte, in diesem Loch in Brixton, in Reichweite von Alberts Büro. –Und euer Mufti? fragte Jim. Meldet sich freiwillig für den Irak-Krieg und zieht gegen seine Brüder in den Tod? Er trank das Glas aus, ein neues Pint wartete schon auf dem Tresen, denn die Bedienung mochte ihn, lächelte süß, und Albert verzog das Gesicht, als hätte er auf Schlechtes gebissen, weil Jim ihm den Rauch seiner Zigarette in die Augen und in die Nase blies. –Stell dir vor, wie das hier wird, sagte er, du steigst in die U-Bahn und weißt nicht, ob du lebend wieder herauskommst. Alberts Obsession, seit dem 11. September. –Nicht wahr, du kannst es gar nicht abwarten, daß hier auch etwas passiert? grinste Jim, stieß mit dem Rücken gegen einen dicken, vergnügten Mann, der aufrichtig seine Entschuldigung aussprach, als Jim ihn anfunkelte, als wolle er gleich Genugtuung fordern, und dann verzog sich der Dicke mit seiner Freundin ans andere Ende des Tresens. Albert faselte weiter über das, was geschehen würde. –Versuch mal, eine ganze Stadt zu evakuieren, oder die Züge unter der Erde, und wenn ein Tunnel eingestürzt ist. Jim schnitt ihm das Wort ab, wollte jetzt gehen, streckte ihm einen Umschlag hin, je weniger unauffällig, desto sicherer, Alberts Methode, die bislang tadellos funktionierte, und Albert nahm das Geld, sagte aber, daß er nichts bei sich habe, was er Jim geben könne, der schon die Hand ausgestreckt hatte und ihn erst verblüfft, dann aufgebracht anstarrte. –Versteh doch, wieder die weinerliche Stimme, ich muß ja an die Zukunft denken. Und folglich trug er nichts bei sich, das war es, Albert hatte mit Drogen nichts mehr zu tun, trank wie ein guter Bürger sein Bier, kassierte sein Geld, ließ andere rennen, das war alles, und hier, in einem Pub, konnte Jim ihm keine Szene machen. Malte sich Schrekkensbilder aus, richtete sich dahinter ein wie ein Eichhörnchen, sicher, behaglich, mit ausreichend Vorräten ausgestattet. Jim war blaß geworden. –Wenn du dir einbildest, daß ich noch einmal dein Scheißbüro in Brixton betrete und mir das Zeug selber abhole, dann hast du dich geschnitten. Und wie Albert ihn beschwichtigte und beruhigte; die Leute, dachte Jim, die sich alle Katastrophen ausmalen können, weil sie so sicher sind, daß ihnen selbst nie etwas zustoßen wird. –Und mit Ben treffe ich mich auch nicht, beharrte Jim. Schließlich einigten sie sich, daß Hisham bei Jim anrufen würde. –Hast du das Poster gesehen, mit Mae? fragte Albert zum Abschied, tätschelte ihm die Schulter.
Als er die Kentish Town Road hinaufging, sah er durch die Scheiben von Pang’s Garden Dave, der sich gerade eine Tüte Pommes bestellte, und er ging hinein, wo Dave ihn anstrahlte und anfing, etwas zu erzählen, als könnte Jim Dinge in Ordnung bringen, fünf Pfund, die er für seine kleine Schwester geklaut hatte, und die Brüllerei und warum er nicht nach Hause ging heute nacht, obwohl er noch nicht wußte, wo er schlafen würde, weil die Jungs, die gesagt hatten, daß er zu ihnen kommen könne, ihm aufgelauert hatten. Jim bestellte sich eine kleine Portion Pommes und eine Frühlingsrolle, sie saßen auf der grünen Bank am Fenster, die einzigen, die nicht gleich wieder hinausgingen, sondern drinnen aßen und den vier oder fünf Chinesen zusahen, die hinter dem Tresen etwas zubereiteten oder putzten und dabei fernsahen. Dann öffnete sich in der niedrigen Decke eine Klappe, und drei Frauen staksten eine ausziehbare Leiter herunter. –Zwischendeck, warf Jim dem Jungen hin, vermehren sich wie die Karnickel da oben, und dann kommen sie runter und breiten sich überall aus. Dave schaute ihn erschrocken an und sagte nach einer Sekunde mutig: –Aber Sir, sie sind sehr nett hier. Sie haben mir schon oft etwas zu essen für meine Schwester mitgegeben. Der Alte, wahrscheinlich der Besitzer, hockte vor dem Fernseher, löffelte eine Suppe, während seine Frau die Pfannen wienerte und die zwei Söhne miteinander tuschelten.
Dave saß da und hielt sich gerade, er dachte daran, wie er Jim zum ersten Mal gesehen hatte, hier, als zwei von den Jungs aus der Schule draußen warteten, bereit, bis zum Morgen
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