Die Habenichtse: Roman (German Edition)
Meter rannte er, ohne Überzeugung. Nasses Pflaster, Pfützen, aufspritzendes Wasser, die Nacht dick und regenschwer, die Autos mühten sich voranzukommen. In der Tasche seiner Jeansjacke spürte er das Geld. Das Poster mit Maes Foto hatte er gesehen, Albert hatte es in Kentish Town Station aufhängen lassen, –damit du uns nicht vergißt, hatte er gesagt, als Jim anrief, tobte. Ich wollte sicher sein, daß du anrufst, hatte er Jim gesagt, so eine lange Zusammenarbeit gibt man doch nicht einfach auf? Und Jim hatte sich gefügt. Bevor er Mae nicht gefunden hatte, würde er nicht weggehen. Solange er in der Lady Margaret Road bleiben konnte. Bis Damian zurückkam, dachte er. Solange ihn keiner dort aufspürte.
Nur mit dem Jungen, Dave, der mit seinen Eltern in der Nummer 47 wohnte, redete er manchmal. Irgend etwas an ihm mochte er. Nebenan, in die Nummer 49 war ein jüngeres Paar eingezogen, bestimmt keine Kunden, er jedenfalls nicht, aber die Frau war Jim aufgefallen, obwohl er sie bisher nur von hinten gesehen hatte, in einem kleinen, koketten Regenmantel, mit Turnschuhen, ungefähr so groß wie Mae, das hatte ihm einen Stich gegeben. Ungefähr ihre Figur. Waren eingezogen mit allem Pomp, Möbeln und Kisten, in denen Geschirr und vielleicht Bücher waren. Es hatte Jim nie interessiert, wie andere das machten, einziehen, umziehen, sich einrichten, die ganzen Kisten, die ganzen Sachen aus den Kisten um sich herum aufgetürmt, daß man in ihrer Mitte sicher und gemütlich geborgen war, aber plötzlich sprang es ihm ins Auge. Sie waren eingezogen, zu zweit, wie in einer Umarmung, die den Regen abhielt, und alles andere auch. Jim hatte sich an die Lady Margaret Road gewöhnt, an den kleinen Garten, in dem die Eichhörnchen die Baumstämme hinaufrasten, wenn er die Tür öffnete, und von oben kam abends der Geruch des Abendessens, das die Leute kochten, die ihn nicht grüßten, vermutlich, weil sie mit Damian schlechte Erfahrungen gemacht hatten.
Als er sich zwei Tage später mit Albert am nördlichen Rand von Soho traf, ließ er sich hinreißen, darüber zu reden. –In einer richtigen Wohnung – nicht so einer Bruchbude, wie du sie immer für uns hast – bist du ein ganz anderer Mensch, nicht so ein Idiot, nach dem man nur pfeifen muß. Du glaubst, wir warten nur darauf, daß jemand nach uns pfeift, nicht wahr? Du pfeifst, und Ben versucht zu pfeifen, aber mit mir könnt ihr das nicht mehr machen. Man kommt auf Sachen, die einem sonst nie eingefallen wären, in einer Wohnung, meine ich, weil man immerhin ein Mensch ist, kapierst du? Nicht bloß so ein gehetztes Kaninchen mit ängstlichen Augen, sondern ein Mensch, der morgens aufsteht und sich wäscht oder so, und sogar daran denkt, in die Kirche zu gehen, wie als Kind, weil er Gottes Segen haben möchte oder daß jemand für ihn betet. Man erinnert sich plötzlich an Sachen, und all der Dreck ist wie eine dicke Kruste, unter der etwas anderes ist, das du bloß vergessen hast. Du erinnerst dich plötzlich, daß du als Kind einen kleinen Hund gehabt hast, also, nicht wirklich einen eigenen Hund, aber so gut wie, weil er jeden Tag zu euch herübergelaufen ist und du etwas für ihn aufgehoben hast.
–Wenn meine Restaurants richtig laufen, sagte Albert verlogen, dann stelle ich dich ein, und du kannst bei mir als Küchenchef arbeiten.
–Klar doch, fauchte Jim, als Küchenchef, der Spiegeleier macht.
–Warum gönnst du mir nicht auch meinen kleinen Traum? fragte Albert weinerlich, und Jim biß die Zähne zusammen, die verdammte Sentimentalität, Alberts und seine eigene, dieses weinerliche Gehabe. Doch irgendwann würde Albert kriegen, was er wollte, und Jim nicht. Mae, dachte er. Aber er haßte Albert nicht. Das dicke, gerötete Gesicht weckte keinen Haß in ihm. –Vergiß nicht, setzte Albert an, –daß du mich von der Straße weggeholt hast, ergänzte Jim angeekelt. Der gute Albert, immer so weichherzig. Und mich dann auf die Straße zurückgeschickt, damit ich den Arsch für deine Freunde hinhalte.
Wenn die Tür des Pub aufschwang, hörte man den Regen, und Leute kamen mit Zeitungen herein und diskutierten, was geschehen würde, nächste Woche, wann es losgehen würde, und über die Demonstration und ob Blair recht hatte oder Blix, redeten, als würden sie nach ihrer Meinung gefragt, bevor irgendwelchen Ärschen im Wüstensand das Gehirn weggepustet wurde. Dabei kam es nicht darauf an, was die Leute sagten, dachte Jim. Wenn einer erst tot war, dachte Jim,
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