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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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herumzulungern, immer wieder gegen die Scheibe klopften, und Jim hatte sofort begriffen, was los war. Es roch nach heißem Fett, aber das war okay, und Dave war jeden Tag vorbeigelaufen, um Jim wiederzutreffen. Kaufte eine Tüte Pommes, wenn er Geld hatte. Dann traf er Jim auf der Straße, in der Lady Margaret Road, nur ein paar Häuser weiter unten, und Jim hatte ihm gesagt, er solle sich unterstehen, bei ihm zu klingeln. Dave selbst störte ihn nicht, aber die Jungs, die ihn piesackten, gefielen Jim nicht, kleine Diebereien und Drogen und natürlich Schuleschwänzen, große Klappen und kleine Messer. –Ich werde keine Drogen nehmen, sagte Dave ernsthaft, und Jim nickte.
    Zu Hause schloß Jim die Tür hinter sich ab und räumte auf. Dann legte er sich aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein. Die Gasheizung stieß ihre Rauchwolken vor dem Fenster aus. Wahrscheinlich hatte Dave sich nicht nach Hause getraut. Und wo war Mae? dachte Jim, während er sich vorstellte, wie Dave durch die Straßen schlich und das Paar aus Nummer 49 behaglich auf dem Sofa saß, vor einem künstlichen Kamin, und sich umarmte.

    Sie trafen sich in der Edgeware Road, Jim kam aus der U-Bahn, Hisham trat aus einem Laden, ging rasch auf ihn zu. –Ich lade dich zum Essen ein, sagte er, und Jim blickte mißtrauisch hinter sich. –Ich lade dich ein, wiederholte Hisham achselzuckend, immerhin habe ich noch etwas gutzumachen. Die Tüte streckte er Jim gleich hin, ein Angebot, das Jim grinsend ablehnte. –Nein, trag du das nur, sagte er. Vor einem Cafe´ saßen Männer mit ihren Wasserpfeifen. In einem Restaurant sah man riesig an die Wand projiziert das Programm eines arabischen Senders, ein Kellner balancierte sein Tablett voller Teetassen, am Fenster aß alleine eine junge Frau mit Kopftuch, sie kaute an ihrer Pita, Tränen liefen ihr übers Gesicht. Dicht schob sich der Verkehr, laut. Es roch nach gegrilltem Fleisch, vor kleinen Läden lagen unbekannte Früchte, fahl, schuppig wie Eidechsenhaut, braune, knorrige Gebilde, die Hisham prüfend anfaßte, auf arabisch etwas murmelnd, das den Verkäufer zu empören schien, mit einer kleinen Verzögerung fuhr er wie eine Schlange auf, reckte den Kopf, züngelte, und Jim trat neben Hisham, kindisch, als wolle er nicht übersehen werden, wenn es zu einer Schlägerei kam, aber nichts dergleichen. Hishams Blick war es, der den anderen zur Ruhe brachte, sein sanfter, sanftmütiger Blick, und Jim lachte auf. So gingen sie weiter, Richtung Süden, bis sie ein bescheiden aussehendes Lokal erreichten, ein Bursche in Daves Alter kam herausgelaufen, verneigte sich leicht vor Hisham und führte sie an einen Tisch im Inneren, an den sogleich Tee gebracht wurde, und der Tisch wurde gedeckt, sorgfältig, mit Stoffservietten, die dünnen Arme und Hände des Jungen richteten alles geschickt ein, und dann kamen kleine Teller, Hackfleischbällchen, Falafel, eingelegter Kohl, Humus, erklärte Hisham. Jim setzte sich, unbehaglich, sein Hals juckte, er wollte sich umdrehen, überall hindrehen, aus Mißtrauen, aus Neugierde, weil die Gerüche fremd waren, weil Hisham kleine Zeichen gab oder unverständlich etwas sagte, und der Junge in die Küche stürzte, nicht unterwürfig, eifrig nur, fast aufgeregt, fast so, als sollten Jims Wünsche in Erfüllung gehen. Das war es. Als sollten seine Wünsche in Erfüllung gehen. Von den Lippen abgelesen. Kleine, graugrüne Oliven. Es war die Geste des Jungen, die ihn dazu brachte, sich zu nehmen, tastend, prüfend mit der Zunge über die glatte, etwas bittere Haut zu gleiten, von dem Fladenbrot ein Stück abzureißen und in das helle Püree zu tunken. Von den braun-grünen Bällchen abzubeißen. Mißtrauisch Hishams Gesicht beobachtend, der ebenfalls aß und sich nur unterbrach, um eine Anweisung zu geben. Mehr Tee. Eine Schale mit warmem Wasser, in das man die Finger tunken konnte, um sie zu reinigen. Es duftete nach Rosenöl. Halbdunkel war der Raum, die Tür schloß nicht fest, ein Windstoß zwängte sich durch den Türspalt, noch immer war kein anderer Gast eingetreten, nur der Junge lief hinein, hinaus, eifrig, glücklich, so alt wie Dave. Aber Hisham hatte Jim in Brixton von hinten niedergeschlagen, ohne ihn zu kennen. Jetzt hielt er ihm sanftmütig das lauwarme Wasser hin, in das Jim die Hände tauchte. Ein heller, scharfer Schmerz ließ Jim auffahren, er stieß die Wasserschale um, das Wasser ergoß sich über den Tisch, durchnäßte die Servietten, sammelte sich zwischen dem

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