Die Habenichtse: Roman (German Edition)
nach, bot sich als Geschenk, faßte mit der Hand nach seinem Penis, drehte sich um. Jakob fühlte sich ausgeschlossen, und obwohl er Zuneigung, sogar Liebe empfand, für den Jungen, für Isabelle, Alistair, Bentham, spürte er seine Hände in den nassen Zweigen des Jasmin nutzlos und kalt. Der Junge ließ sich ins Wasser fallen, kam prustend, mit nassem Haar wieder an die Oberfläche, ruderte, verlor das Gleichgewicht, doch weder der Grund des Teichs noch die aufgestörte Oberfläche boten Halt, und dann stolperte er ans Ufer, wo der Ältere jetzt wartete, in einem Hemd, in Unterhosen, ein großes, blaues Handtuch bereithaltend, in das er den Jungen einwickelte, um ihn warmzureiben, mit kräftigen, sicheren Bewegungen. Die Gesichter der beiden konnte Jakob nicht erkennen. Er strich sich mit den Fingern über die Augen, als könnte er so den schneidenden Schmerz lokalisieren, und begriff, daß es unmöglich war, denn er verstärkte den Schmerz, der sich ausbreitete, ein Echo jeder Regung der beiden, die versunken waren in ihre Berührung, nicht hörten, daß Jakob sich umdrehte, stolperte. Er drehte sich noch einmal um. An der Bewegung, mit der er das Handtuch hob, wie er die rechte Hand einen Augenblick auf die Schultern des Jüngeren sinken ließ, erkannte Jakob schließlich Bentham, im Profil, halbnackt, das Gesicht verdeckt, überdeutlich sah Jakob jetzt die ziemlich kleine Hand, zu klein für die kräftigen, weißen Arme, wie sie zärtlich die Schulter hinaufstrich, den Hals, der sich darbot, streichelte. Jakob achtete nicht darauf, ob er Lärm machte, als er über die Wiese auf den Hauptweg zurücklief, denn sie würden ihn nicht bemerken, dachte er, keiner rief hinter ihm her, und schon nach ein paar Metern fing er an zu zweifeln, jeder Schritt Richtung Sportplatz und Schule verstärkte seine Zweifel, daß es wirklich Bentham gewesen sei, und ihm stiegen Tränen in die Augen, so daß er wieder stolperte, aufpassen mußte, da er die Straße erreichte, daß er nicht überfahren würde, und dann machte er einen Umweg, denn so konnte er nicht nach Hause kommen. Aufgelöst. Erregt. Er suchte nach einer Formulierung, die ihn belustigte, die er Isabelle vortragen könnte, um aus etwas eine Anekdote zu machen, das ihn erschütterte. Zwei nackte Männer im Park, und er als Spanner im Gebüsch, einem Gebüsch für Frauen. Er würde ihr nicht sagen, daß es Bentham war. Er war sich nicht sicher. Wie sehr Nacktheit veränderte, dachte er, bis zur Unkenntlichkeit, als hätte jeder von ihnen zwei Körper, und nicht einmal das reichte aus, denn seine Nacktheit in Isabelles Augen war etwas anderes als die Blöße der beiden Männer. Aber die Geste, die Bewegung, mit der die Hand auf die Schulter des Jungen sank, gehörte zu Bentham. Jakob wurde sich bewußt, daß er sie gesehen, aber nie gespürt hatte, daß diese Vertraulichkeit Alistair vorbehalten blieb. Er hatte das Gefühl zu schwanken, den Weg nach Hause nicht zu finden, nach Hause, wo Isabelle ihn erwartete. Er würde ihr nichts erzählen, wußte er plötzlich mit Gewißheit; vielleicht war es ein Geheimnis, ob es nun Bentham gewesen war oder nicht, vielleicht kam es nicht darauf an, ob ein Geheimnis, etwas, das man nicht weitererzählen durfte, der Wahrheit entsprach, der Wirklichkeit entsprach. Zwei Männer, entblößt, ausgelassen. Oder war er naiv, und der Spaziergang war für den Älteren eine schreckliche Demütigung? Zieh dich aus, hier, in der Junikälte, am Ladies Pond , wo du nichts zu suchen hast und unter Hohngelächter vertrieben wirst, wenn dich jemand entdeckt? Doch nur Jakob hatte sie gesehen, zu feige, zu beschämt oder aufgewühlt, etwas zu rufen. Er hätte nur seinen Namen rufen müssen, Benthams Namen – aber natürlich war das unmöglich. Er wußte, daß er niemals nachfragen würde, nicht morgen, nicht übermorgen. Vielleicht war, was er gesehen hatte, eine fröhliche Szene: Liebe. Übermut. Ein Spiel. Vielleicht war er Zeuge geworden, wie ein alternder Mann gedemütigt wurde. Ein alter Körper, dachte Jakob wieder, als könnte es ihn abstoßen oder beruhigen. Die Unterhose eines alten Mannes. Aber dann begriff er, daß nicht das Alter des Alten ihm nachging, weil er damit längst vertraut war, sondern wie jung der junge Mann gewesen war. Er hatte sich selbst als ein Geschenk gedacht, jetzt stellte er sich den eigenen Körper vor, der im Wasser nicht posieren konnte, ohne lächerlich zu sein. Er wurde nicht gebraucht, Bentham war auf seine
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