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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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unterschiedlichen Eisenbahngesellschaften. Durch Miller hatte er einen Mann kennengelernt, der ein Haus im Ostteil Berlins vor fünf Jahren wieder in Besitz genommen hatte und dort lebte, –es ist der einzige Platz, wo ich heute leben möchte, hatte er zu Jakob gesagt, der großzügigste, lebendigste Platz in Europa! Besuchen Sie mich, wenn Sie wieder zu Hause sind! Für einen Moment hatte Jakob so etwas wie Heimweh gehabt. Aber er mochte London, im Vergleich zu London kam Berlin ihm menschenverlassen vor. Er war froh, daß Isabelle sich auch nach dem Überfall in King’s Cross nicht fürchtete. Er selbst war ängstlicher seither. Man gewöhnte sich aber an alles, an die Obdachlosen, die quer über dem Gehweg lagen und über die man hinwegsteigen mußte. An die Plakate, die nach Zeugen für Überfälle suchten. An die Drogenhändler um Camden Lock herum, die einem folgten und ihr Angebot zuflüsterten; er glaubte, einen ihrer Nachbarn, einen jungen Mann, der ein paar Häuser weiter wohnte, dort gesehen zu haben, einmal war ihnen der Mann die Leighton Road entlang gefolgt, und Jakob war es vorgekommen, als würde Isabelle ihn kennen, doch er hatte sie nicht gefragt, er hatte kein Recht dazu. In Berlin hatten sie nicht mehr Zeit miteinander verbracht als hier, aber es hatte keine Geheimnisse gegeben. Jakob stolperte, rechts vom Weg war ein dichtes, dunkel aussehendes Gebüsch, er erschrak. Inzwischen hatte er den östlichen Rand des Parks erreicht, rechts erhoben sich hinter dichten, überwucherten Zäunen kleine Villen. Das mußte der Weg zu einem der Badeteiche sein. Nach ein paar Metern stieß er auf ein Schild Kenwood Ladies Pond . Heute, an einem verregneten und kühlen Sonntag, war niemand dort, jedenfalls hörte man keinen Laut. Er ging den Pfad ein paar Schritte entlang, leise und konzentriert lauschend, erreichte ein kleines Tor, das offenstand. No men permitted beyond this point . Zögernd ging er trotzdem hindurch, jetzt sah er rechts eine Liegewiese und etwa zehn Meter weiter die Wasserfläche zwischen dünnen Baumstämmen. Eine Ente quakte. Sie watschelte durch das Gesträuch ins Freie, auf den Teich zu, den Jakob nun in seiner Gänze sah, bleiern, schimmernd, von einem Lufthauch bewegt, dunstig, und die Grenze zwischen Wasser und Luft zerrann. Jakob hatte den Zaun erreicht, einen vor nicht langer Zeit reparierten Zaun, der ihn aufhalten sollte, mit seinen frischen, noch nicht einmal gestrichenen Planken, er beugte sich darüber, spürte das Holz in der Leiste, preßte sich einen Moment dagegen, dann stieg er über den Zaun, das Gras unter seinen Füßen war nachgiebig und feucht. Von einem Holzponton führte am gegenüberliegenden Ufer eine weiße Leiter ins Wasser, Jakob hörte, da die Ente verstummte, das sachte Geräusch des Regens auf dem Wasser, schaute sich nach einem Unterstand um, fand unter dem dichten Laub einer Kastanie ein wackeliges Bänkchen, fünf Meter vom Ufer. Er hatte sich kaum gesetzt, als alarmiert wieder die Ente zu quaken begann, im Schilf konnte er sie nicht sehen, aber offenkundig flüchtete sie tiefer ins Wasser, und da knackten Zweige, Schritte, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Teichs einen Weg durchs Gehölz bahnten, unterdrücktes Gelächter folgte, keine Frauenstimme, und Jakob zog sich vorsichtig hinter einen duftenden Busch zurück, dessen weiße Blüten sein Gesicht berührten. Ein junger Mann tauchte auf, nackt bis auf die Unterhose, seinen kräftigen, hübschen Körper spielerisch jemandem präsentierend, der noch von Blättern und Zweigen verborgen wurde, ein Arm, sehr weiß gegen die gebräunte Haut des anderen, zeigte sich, dann der gedrungene Leib, ein schwerer, behaarter Oberkörper auf zu kurzen Beinen, äffisch, plump, das Gesicht von den dichten Zweigen verborgen, während der Junge sich stolz präsentierte, die Arme ausbreitete, auflachend mit den Hüften wippte, zwei Finger unter den Bund der Unterhose schob, den Gummi schnalzen ließ, wobei er die Bauchmuskeln anspannte. Plötzlich hielt er inne. Aber es war nicht Jakob, es war die Ente, die der Junge entdeckt hatte, und er lief ein paar Schritte ins Wasser, scheuchte das Tier, vergaß seinen Zuschauer, um sich desto galanter umzudrehen, noch einmal ans Ufer zu waten und die Unterhose abzustreifen, sehr langsam, possenhaft und zärtlich seinen älteren Freund – oder Freier – im Auge behaltend. Er stellte sich hin, ruhig, ergeben, und falls er den Älteren verspottet hatte, gab er jetzt

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