Die Habenichtse: Roman (German Edition)
zu dem Schluß gekommen, sie müsse eine derartige Behandlung doch nicht fürchten, sie machte es sich bequem, mit leisem Maunzen, ein Bild von einer Katze, dachte Isabelle, als sie sich beide in der Glastür spiegeln sah, während sie die zwei Stufen heraufstieg.
Mit dem Fuß stieß sie die angelehnte Terrassentür auf und setzte Polly im Wohnzimmer ab. Es war aber offenkundig, daß sich das Tier unwohl fühlte, sich nur setzte, weil die Tür sogleich geschlossen wurde, betäubt vielleicht von den veränderten Gerüchen und Bewegungen, und hätte es sich äußern können, würde es sich wohl an die Seite des Mädchens gewünscht haben, das hinter der Mauer heulen oder kotzen mochte, an der verschlossenen Tür rütteln, eine Strafe fürchtend oder die Dämmerung. Daß das Telefon klingelte, war Isabelle willkommen, ebenso Peters Stimme, die nüchtern von einer weiteren Anfrage berichtete – ein Hörbuchverlag wünschte ein Cover, originell und nicht zu teuer, –das ewige alte Lied, sagte Peter, und er sei mit dem Umzug, Andras mit seiner Reise nach Budapest beschäftigt. Also bist du dran, sagte er, bis Andras zurückkommt, mußt du mir helfen, La´szlo´ versucht ihn zum Bleiben zu überreden, aber er wird keinen Erfolg haben. Peters müde Stimme war weder freundlich noch unfreundlich, und er fragte nicht, wie es ihr ging. Polly maunzte, folgte Isabelle die Treppen hinauf in die Küche, beroch das Schüsselchen Milch, das für sie auf den Boden gestellt, verfolgte, wie in einem zweiten Schälchen ein Stück kaltes Fleisch zerkleinert wurde. Es machte Isabelle Spaß, die Katze zu füttern, und als sie an Sara dachte, die jetzt vermutlich heulend im Garten hockte, aber immerhin eine Katze hatte, schien sie ihr ein vergleichsweise glückliches Kind. Gesättigt machte Polly einen Rundgang, lief wie ein Geheimpolizist die Treppe hinauf, die letzten beiden Zimmer zu kontrollieren. Das Schlafzimmer, Jakobs Arbeitszimmer, das er jedoch nie benutzte. Die Kanzlei war wie eine Obsession, die keine Nachfrage duldete. Isabelle wollte allerdings auch nicht erklären müssen, wie sie ihre Tage verbrachte; ihrer beider Schweigen war wie eine Anzahlung, dachte Isabelle, man würde sehen, worauf. Sie ließ die Katze oben, ging selber ins Erdgeschoß, öffnete eines der Fenster zur Straße, es dämmerte schon, der Himmel hatte sich mit dichteren Wolken bezogen, kühler Wind wehte in Böen. Auf der Straße ging ein dicker Mann mit einem riesigen Turban vorbei, zwei Kinder in Schuluniform liefen so gesetzt wie ältere Damen. Jeden Moment könnte Jakob die Straße heraufkommen und sie sehen, winken. Polly sprang auf die Fensterbank und erschreckte sie, Isabelle griff sie sicher mit beiden Händen, hielt sie aus dem Fenster. Die Katze wand sich, versuchte sich zu befreien. Isabelle ließ sie los. Das Tier schien verwundert, knickte kurz ein, vielleicht war es zu alt, um springen zu können, doch dann richtete es sich auf, zwängte sich durch die Gitterstäbe des Törchens und verschwand unter einem geparkten Auto.
In der Küche standen drei Flaschen Rotwein, die eine noch halb voll; Jakob hatte Sushi mitgebracht, Alistair war eine halbe Stunde später gekommen, sie hatten nur wenig gegessen, am meisten trank Isabelle. Alistair hob sie in die Luft und wirbelte sie herum. –Wie handlich deine Frau ist! Und ihr war übel gewesen, aber das war vergangen. Jakob trank auf ihre Gesundheit, sie leerte ihr Glas, Alistair schenkte sogleich nach. Beide waren aufgestanden, traten zu ihr, aufgerichtet, erwartungsvoll, Jakob wandte den Kopf zu Alistair, über sich hinweg spürte sie die Blicke, spürte am Rücken die Hände, Jakobs Hand, die über ihr Haar, ihre Stirn, vor ihre Augen glitt, sie im Scherz zuhielt, eine andere Hand tastete nach ihrem Po, streichelte die Pobacken, fuhr mit dem Finger den Spalt entlang, soweit es die Stoffhose zuließ, und sie wartete, daß die Hand wieder hinaufglitt, den Bund suchte und sich hinein- und vorwagte, sie hörte sich aufseufzen, als Finger an den Knöpfen, an dem Reißverschluß nestelten, ihr Mund öffnete sich, es mußte Alistair sein, der sie um die eigene Achse drehte, schwindelig war ihr nicht, sie war hellwach, jemand schob ihr sachte den Daumen in den Mund, die Augen mußte sie jetzt selber schließen, jemandes Atem traf ihr Ohr, blies sanft hinein, das mußte Jakob sein, ein Blick von ihr würde alle drei aufhalten, noch war es zu früh, in ein paar Minuten könnte sie die Augen öffnen. Sie
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