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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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hielt den Atem an, eine Zunge, es mußte Jakobs Zunge sein, liebkoste ihre Ohrmuschel, und wenn es Jakob war, kniete Alistair vor ihr, umfaßte ihre Beine, steckte den Kopf zwischen ihre Oberschenkel, und sie hörte etwas, spürte nahe eine Bewegung, vielleicht Jakobs Hand, die Alistairs Haar, seinen Nacken streichelte, und gleich würde sie die beiden nackten Männer sehen, sie müßten sich endlich ausziehen, dachte Isabelle ungeduldig, Jakob, der Alistair umschlang, der sie in den Armen hielt. Aber keine Hand berührte ihre Brüste, die Zunge zog sich aus ihrem Ohr zurück, eine Hand kraulte sie bloß am Nacken, es kitzelte und war nicht länger angenehm, einer von ihnen verdarb alles, verriet alles. Noch wollte sie es nicht glauben, sie preßte die Augenlider zu, streckte sich, als könnte sie ihren Körper noch einmal anbieten, spürte die Lust verebben, faßte im Reflex nach ihrem Slip, an dem eine Hand zog, nicht zärtlich, sondern unwirsch, es mußte Alistair sein, sie berührte seine Hand, wie ein Stoß traf sie sein Zorn, Fingernägel bohrten sich in ihren Arm, er zwang ihre Hand in den Slip und tiefer, bis ihre Finger die noch feuchte Scham berührten und sie den Griff und seine Wut vergaß, zärtlich nach der weichen Haut tastete, etwas, das dünn und unendlich alt schien, das nicht sie selbst, sondern eine alte Frau war, ein Körper, der nicht mehr Lust, sondern Mitleid hervorrief. Ihre Hand wurde weggezogen, Jakob, dachte sie, der alles beendete. Er lieferte sie der Beschämung aus, sie spürte Alistairs Befremden und war machtlos dagegen. Jakob hob sie hoch, er nahm sie auf seine Arme, trug sie, alleine konnte sie tatsächlich nicht laufen, die Treppen hinauf und ins Schlafzimmer, legte sie aufs Bett, deckte sie zu, er zog sie nicht aus. Ihre Hand ruhte noch immer über ihrer Scham, die Augen hatte sie nicht geöffnet. Schritte hörte sie, leise Stimmen, die beiden waren noch da, vielleicht küßten sie sich, und Isabelle lag da, spürte die Demütigung Teil ihres Körpers werden.
    Später übergab sie sich. Ein bißchen Selbstbeherrschung, und man schafft es immer ins Badezimmer, hatte ihre Mutter ihr vorgehalten, und so war es. Jakob würde es nicht erfahren, nicht, weil er so fest schlief, sondern weil er sich unten, in Isabelles Arbeitszimmer, hingelegt hatte. Am Morgen allerdings kam er noch einmal herauf, kniete neben dem Bett, streichelte sie, die scheinbar schlief, denn sie stellte sich schlafend, damit er glauben konnte, es wäre nichts geschehen. Und das war die Schlinge, die sie selbst sich um den Hals legte. Sie hätte die Hand nach ihm ausstrecken und ihn an sich ziehen, mit ihm schlafen sollen, um sich zu versöhnen. Als er gegangen war, lag sie still da und lauschte dem Regen, durch die geschlossenen Fenster spürte man, daß es kühl geworden war. Gegen elf Uhr allerdings schien die Sonne, Isabelle trug die zwei leeren und die halbvolle Flasche zu den Mülltonnen, kühl war es noch immer. Daß ein Auto vor dem Nachbarhaus hielt, registrierte sie erst, als die Beifahrertür zuschlug, der vierschrötige Mann auf die Haustür zustapfte, sie wortlos musterte, als eine blonde Frau hinten ausstieg, etwas rief, die Stimme klang heiser. Sie trug grüne Trainingshosen und ein rosa Sweatshirt, vermutlich war sie hübsch gewesen früher, vermutlich war sie kaum älter als Isabelle. Der Mann kam noch einmal vor die Tür, zog wütend den Schlüssel aus dem Schloß. –Warum kann dieses verdammte Gör nicht mal die Tür aufmachen?
    –Du und dein fetter Arsch, erwiderte die Frau; dann schlug die Tür zu.
    Die Straße, noch feucht, glänzte wie frisch gewaschen, Isabelle hatte nicht geduscht, sie trug die Kleider vom Vortag. Irgendwann war Alistair gegangen, war sicherlich, wie Jakob, längst im Büro, mit anderem beschäftigt, das nicht neu war, aber nichts war neu, und war das nicht gut so, war es nicht das, was sie gewollt hatten? Sie sehnte sich plötzlich nach Berlin. Die Demütigung des vergangenen Tages blieb, und sosehr sie sich auch bemühte, nicht daran zu denken, fragte sie sich doch, ob Saras Eltern erst jetzt, nicht gestern abend, zurückgekommen waren.

    Die Straßen waren nicht dunkler als die in Berlin, doch brannte in kaum einem der Fenster Licht, und die Straßenschilder in Sanskrit verunsicherten sie. In jedem Haus konnten Flüchtlinge, versklavte Arbeiterinnen versteckt sein. Männer musterten sie, Halbwüchsige sprachen sie an, um sie in eines der unzähligen indischen oder

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