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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Teil - den Asipu zufolge die Strafe für den Missbrauch der Droge. Eine Warnung der Götter davor. Wer einmal das Jucken durchgestanden hatte, dem erschien die Droge kein bisschen verlok-kend mehr, ganz gleich, zu welchem Hoch sie auch verhalf.
    Was für ein Hoch? Vermutlich hatte ich zu große Angst, um das Hoch überhaupt mitzubekommen, dachte Chloe.
    Das Jucken würde in den Gliedmaßen einsetzen und dann langsam zum Herzen hin vordringen, hatte Ningal prophezeit. Es sei ein Gefühl, als stecke ihr etwas unter der Haut, das sie auffressen wollte. Zum Schluss würde sie sich übergeben, dann hätte sie alles überstanden. Ihren Planungen nach würde sie sich erbrechen, kurz nachdem der Schacht gefüllt wäre und die Priester sie nicht mehr hören konnten, sodass sie Muße haben würde, alles zu vertuschen, was auf ihr Überleben hindeutete.
    Und ihr Verschwinden.
    Scheiße!, dachte sie, das ist kein Jucken, das ist wie Feuer! Als hatten Quallen ihre Zehen, ihre Fußsohlen, ihre Knöchel verbrannt - genauso fühlte es sich an.
    Das schaffe ich nicht, dachte Chloe. Ich sterbe, wenn ich mich nicht kratze.
    Kratz dich bloß nicht, hatte Ningal sie gewarnt. Dadurch breitet sich das Gift aus und kann die Haut infizieren. Ihre Finger standen in Flammen; winzige Beinchen krabbelten unter ihren Fingernägeln und durchbohrten die Haut in ihren Handflächen. Tränen strömten über ihr Gesicht, und ihre Stirn schmerzte, so verzog sie das Gesicht.
    Wenn es nur nicht so lang dauern würde, dachte sie. Wenn ich es nur bald überstanden hätte. Aber das Jucken ließ sich alle Zeit der Welt. Ihre Kopfhaut brannte wie verrückt; fast meinte Chloe zu spüren, wie sich Blasen bildeten.
    Ein Geräusch - sie war zu sehr in ihre Qualen verstrickt gewesen, um festzustellen, was es war und woher es gekommen war. Inzwischen war es fast vollkommen dunkel, nur ein win-ziger Spalt war noch frei, bis der Schacht aufgefüllt war.
    Als die Droge ihren Bauch attackierte, vergrub Chloe ihr Gesicht in der Webmatte, um ihre Schreie zu ersticken.
    »Man wünscht sich, man wäre tot«, hatte Ningal ihr mit Tränen in den Augen eröffnet, weil er sich ihre Qualen ausmalte. Dann hatte er sich ein trockenes Lächeln abgerungen. »Nur dass der Tod wesentlich länger dauert.«
    Woher hätte sie Kraft zum Bewegen nehmen sollen? Chloe rollte sich so weit wie möglich ein, während das Gift in ihrer Kehle, in ihrer Brust wütete. Sie bohrte sich die Fingernägel in die Arme, weil ansonsten die Versuchung, sich die Brüste aufzureißen, einfach zu groß gewesen wäre.
    Das Erbrechen kam in einer unerwarteten Explosion.
    Als sie die Augen wieder aufschlug, war es absolut dunkel in der Kammer.
    Und sie fühlte sich wunderbar.
    Die Angst, von den Qualen in den Hintergrund getrieben, kehrte mit ihren Fangzähnen zurück.
    Kein Laut von oben, kein Geräusch hier unten. Hatte sie sich das Atmen nur eingebildet? Die andere Überlebende?
    Klammheimlich zog sie ihren Dolch und schnitt den Fleck mit ihrem Erbrochenen aus der Bodenmatte, um den Flicken dann umgekehrt wieder einzufügen. Zuletzt fuhr sie, um sicherzugehen, dass er passte, mit dem Finger die Kanten nach.
    Es stank gotterbärmlich hier unten; womöglich würde sie sich noch mal übergeben müssen.
    Nein, ermahnte sie sich. Nichts wie los und raus hier.
    Sie schob das Messer in den perlenbesetzten Gurt zurück und setzte sich langsam auf. Perlen aus Karneol, Lapislazuli und Gold klimperten gegeneinander. Die zum Oberarm hochgeschobenen Reifen rutschten klirrend nach unten. Chloe erstarrte und lauschte.
    »Psss -«, zischte sie leise. Sie bebte am ganzen Leib; falls hier unten noch jemand lebte, dann war sie nicht allein. Falls außer ihr niemand mehr atmete, befand sie sich in einem Raum mit dreiundsiebzig Leichen.
    Sie schloss die Augen und versuchte das Bild von bebender Haut, unter der Millionen Larven wuselten, auszublenden. Warum kann ich mich erinnern, wie ein Leichnam verwest, und weiß nicht mal, wie dieses Land eigentlich heißt? Weil ich es nie gewusst habe.
    »Eine Fliege summte - als ich starb.«
    Diese verfluchte Emily Dickinson.
    Sie richtete sich auf, wobei Dreck und Gold von ihrem Körper bröckelten und auf den Boden regneten. Ihr wurde schwindlig, doch ob vor Angst oder wegen des restlichen Giftes, vermochte sie nicht zu sagen. Es war egal. Sie musste hier raus. »Pss -«, zischte sie wieder und wartete.
    Überall um sie herum, direkt vor ihr, lagen Dutzende von Leichen. Die sie allerdings

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