Die Händlerin von Babylon
dreizackige Hacke, die zum Auflok-kern des Bodens diente. Ein paar schwarze Haare klebten am Metall. Und die Flecken waren kein Schlamm, sondern Blut. »Wo ist sie jetzt?«
»Als sie das Blut gesehen haben, haben alle Angst gekriegt.«
»Wo ist sie, Roo?«
»Wir haben die Hacke mitgenommen -«
Nimrod setzte sich schon in Bewegung. »Wo?«
»Wir haben sie liegen lassen.«
Kalam prallte beinahe gegen den Boten, der vor seiner Tür aufgetaucht war. »Richter Ningal wünscht dich auf der Stelle zu sehen«, sagte der Mann.
Kalam war angezogen und bereit. Die Jungen hatten das Mädchen gefunden; sie hatten ihren Auftrag ausgeführt. Er goss das restliche Bier vor der Statue seines persönlichen Gottes aus. Der Gott war ihm gnädig gewesen und hatte seine Feindin vernichtet. Nach seiner Rückkehr würde Kalam dem Gott etwas zu essen bringen. Am besten etwas Schmackhaftes.
Er folgte dem Boten zum Haus am Krummen Weg.
»Du hast mich gerufen, Herr?«
Ningal wirkte gefasst, was Kalam überraschte. »Du musst mir ein paar Sachen besorgen«, begrüßte Ningal ihn ohne jede Vorrede. Er ist also bestürzt, dachte Kalam. Sonst wäre er bestimmt nicht so unhöflich.
»Selbstver...«
Ningal ratterte seine Liste herunter: Wachs, eine neue scharfe Klinge für sein Messer, Flachsstreifen - etwa zwanzig Stück -,
Weidenrinde, Ysop- und Zitruszweige, eine Ziege und die rothaarige Prostituierte, die ebenfalls im Krummen Weg wohnte.
»Ich . ich dachte, ihr vereint euch nur mit -«
»Sie ist heute Abend bestimmt in der Taverne. Zahl ihr, was sie verlangt, versprich ihr alles, aber schaff sie auf der Stelle hierher.«
Kalam blickte auf seine Liste. »Eine ... lebendige Ziege, Herr?«
»Lebendig und jung. Unberührt. Rein.«
Kalam nickte.
»Los jetzt.«
Kalam schloss die Tür und ärgerte sich im selben Moment, dass er nicht nach Chloe gefragt hatte. Ach was, das würde er nachholen, sobald er zurück war.
Als Kalam die Rothaarige hereinführte, beendete Ningal soeben sein Mahl aus Erbsen und Brot. Langsam zog die Frau den Umhang herunter und schaute sich um. Während sie zu seinem Tisch geschlendert kam, schenkte Ningal ihr einen Becher Wein ein. Dann schickte er Kalam hinaus und wartete ab, bis sein Angestellter die Tür zum Hof geschlossen hatte.
Der Ausschnitt der Frau war so tief, dass es fast schmerzte. Ulu lächelte Ningal an und strich mit ihrer Sandale an seinem Bein hinauf. Ningal sah sie fassungslos an. »Ich habe dich nicht meinetwegen gerufen.«
Sie blickte mit einer übertriebenen Geste über ihre Schulter zurück. »Ich sehe sonst niemanden.«
»Ich brauche dich für eine Pflicht gegenüber den Göttern.«
Schlagartig änderte sich ihr Auftreten. »Was soll das heißen? Ich werde bezahlt -«
»Du wirst bezahlt werden. Das steht fest. Und zwar großzügig, dessen kannst du gewiss sein. Ich verlange von dir lediglich, dass du in jene Kammer dort gehst und über die junge Frau darin wachst. Sobald sie erwacht, rufst du mich.« »Da drin liegt eine Frau?«
»Mir liegt sehr viel an ihr.«
»Eine Konkubine?«
»Mitnichten. Ich habe sie als Tochter angenommen, wenn du so willst.«
»Und sie ist krank?«
»Nicht krank ... verletzt.«
»Warum sorgst du nicht selbst für sie?«
»Ich bin weder ihr Gemahl noch ihr Vater oder auch nur ihr Geliebter«, antwortete Ningal. »Es ziemt sich nicht für mich, in ihrer Kammer zu sein.«
»Ein Mann, der sich geziemend verhalten möchte, wie ungewöhnlich«, murmelte die Frau im Aufstehen. Sie zog ihr Kleid zurecht, sodass es weniger einladend wirkte, und deutete dann auf die Tür zu Chloes Zimmer. »Da oben?«
Guli trat auf das Podest, das Verkaufspodest. Heute wehte die Brise kühler vom Fluss im Süden durch die Morgendämmerung als gestern und die ganze letzte Woche. Ein gutes Omen. Der Wind rauschte in den Bäumen, die das Kai säumten, und Vogelgezwitscher erfüllte die Luft. Überall schlenderten Kunden herum und inspizierten die feilgebotene Ware.
»Ich bitte um Aufmerksamkeit!«, rief der Auktionator. »Ich möchte allen in dieser wunderschönen Morgendämmerung Sins und Inanas Gruß entbieten. Heute stehen ein paar ausgesprochen ansehnliche Menschenwesen zum Verkauf. Wie ihr wisst, besagen unsere Gesetze, dass die Sklaverei drei Jahre währen soll. Sollte euer Sklave oder eure Sklavin einen oder eine Freie heiraten, wird ihre Nachkommenschaft frei geboren. Jeder Handel muss doppelt im Zentralen Archiv hinterlegt werden, außerdem obliegen Nahrung und
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