Die haessliche Herzogin
Freund, der mir gehört, Tag!
Doch als der Tag heraufkroch und um den toten Kopf das erste graue Licht war, lag sie überschauert, mit geschlossenen Augen, im Fieber.
Nach zwei Monaten strenger Überwachung erhielt sie Erlaubnis, für einige Tage nach dem Kloster Frauenchiemsee zu reisen, zu ihrer kranken Schwester Adelheid. Sie fand das sieche, krüppelhafte Mädchen scheu und unzugänglich wie immer.
Margarete war vollkommen leer und ausgeschöpft.
Sie aß, trank, ging herum. Beugte in der Klosterkirche das Knie wie die Nonnen, nahm und gab Gruß und Rede und Gegenrede. Sie war jung und alt wie die Welt. Sie war viel älter und erfahrener als die welke, milde Äbtissin, wußte viel besser als diese, daß alles eitel war und Haschen nach Wind.
Der betuliche Abt von Viktring kam zu Besuch. Er war den Luxemburgern nie sehr freund gewesen, König Johann galt ihm als Spötter und Freigeist – darum auch hatte ihn der Herr mit Blindheit geschlagen –, und er freute sich, daß Margarete sich gegen sie erhoben hatte. Er sprach in seiner redseligen Manier viel in sie hinein; doch sie blieb wortkarg. Er häufte Zitate, führte tröstlich Anselmus an: »Schneller vergeht nicht die Stunde, als wechselt der Anblick der Dinge. Diesseits ist und für nichts alle irdische Zierde zu achten .«
Aber es schien auf Margarete nicht viel Eindruck zu machen.
Sie saß mit der Äbtissin lange Stunden am Ufer der winzigen Insel, schaute über den blassen, hellen See.
Das Wasser gluckste träg im Schilf, stille, fahle Sonne war, weit draußen lag ein Fischer in seinem plumpen, altertümlichen Kahn. Die Äbtissin schaute sie aufmerksam an, streichelte ihre dicklichen, jetzt nicht geschminkten Hände. »Junge Herzogin !« sagte sie mit ihrer welken, milden, wissenden Stimme. »Junge Herzogin!«
»Jung ?« fragte Margarete zurück, so müde, daß es nicht einmal bitter klang. »Jung? Sie sind zehnmal jünger als ich, hochwürdige Frau .«
Die Äbtissin sagte: »Ein Baum ist nicht tot, auch wenn er im Winter kahl steht .« Ferner sagte sie: »Es gibt nichts Schmerzhafteres, aber auch nichts Wohligeres, als wenn man, erstarrt, wieder ins Leben zurückkehrt .« Auch sagte sie: »Sie sollten mit den Nonnen singen, junge Herzogin .«
*
Als Margarete nach Schloß Tirol zurückkehrte, ließ ihr Ludwig der Bayer von einer prunkvollen kaiserlichen Bedeckung bis an die Grenzen seines Gebiets das Geleite geben. Die ersten Herren des Münchner Hofs führten den glänzenden Zug, die Fahne mit dem wittelsbachischen Löwen wehte ihm voran, Feudalbarone und Behörden standen feierlich an seinem Weg.
Die Herzogin dankte den Herren automatisch, nicht mit der gewohnten pomphaften Sicherheit. Sie war schlaff, gleichgültig, viel zu müde, sich Gedanken zu machen über die Gründe, die den Kaiser zu so auffallender Ehrung veranlaßten.
Ja, der Wittelsbacher hatte seine guten Gründe. Er war erst jetzt wieder peinlich daran erinnert worden, wie sehr die luxemburgische Herrschaft in Tirol ihn behinderte. Seine Absicht, gewisse lombardische Händel durch einen Kriegszug zu beendigen, hatte der Bischof von Trient vereitelt, der ihm kühl und ohne Umschweife den Durchzug durch sein Gebiet verbot. Diese Verärgerung des Kaisers hatten die Tiroler Feudalherren klug genutzt. Die Burgstall, Villanders, Schenna, die sich bei der ersten Revolution gegen die Luxemburger schlau im Hintergrund gehalten, hatten ihre Pläne keineswegs aufgegeben. Das mißglückte Unternehmen hatte sie gelehrt, daß es nötig sei, eine Großmacht als Rückendeckung zu gewinnen. Was lag näher, als sich an den Feind der Luxemburger zu wenden, den Kaiser, den Wittelsbacher? Margarete hatte in dem letzten Unternehmen keine glückliche Hand gezeigt. Es war nicht ganz klar, was der unmittelbare Grund war, über den jener Aufstand strauchelte. Aber so viel war gewiß, daß vornehmlich ihre seltsame Laune, ausgerechnet den Chretien von Taufers zu berufen, die klug gezettelten Fäden verwirrt und zerrissen hatte. Jedenfalls war es geratener, diesmal über ihren Kopf hinweg zu handeln und sie erst im letzten Augenblick beizuziehen. Die Befreiung von Herzog Johann mußte sie, wie immer sie ins Werk gesetzt wurde, so wie die Dinge jetzt lagen, als Erlösung empfinden.
Man schickte also in aller Heimlichkeit Botschaft an den Kaiser. Stellte ihm vor, wie die Erbitterung im Land gegen die Luxemburger steige; wie man bedaure, daß sein italienischer Feldzug an dem steifnackigen Widerstand des
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