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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Frühstück genommen, das ist alles. Das macht das Blut dick, die Gedanken trüb. Waren seine Aussichten nicht ausgezeichnet? Der Knabe Meinhard war schwach und leicht zu lenken. Den wird er doch, Gotts Marter, von sich abhängig machen können. Er straffte sich, fest über der gepreßten Lippe stand der kurze, dicke, nußbraune Schnurrbart. Er wird Wittelsbach zusammenkneten und groß machen in der Welt.
    Er ließ sich fertig wappnen. Er hatte jetzt doppelten Anlaß, nach München zu reiten. Seine Stimme war die alte, soldatisch knarrende. Er befahl seinen Sohn Friedrich zu sich.
    Prinz Friedrich hatte schon von dem Tod des Markgrafen gehört. Er barst beinahe von Plänen, von Energie. Meinhard hing an ihm mit schwärmerischer Bewunderung. Er war jetzt durch Meinhard mächtiger als sein Vater. Der junge Mensch, schlank und elegant von Wuchs, dunkles Haar tief ansetzend über der breiten, eckigen, eigenwilligen Stirn, hatte von frühester Jugend an mit Verachtung auf seine Umgebung geschaut. Er allein war der rechte Kaiserenkel. Knirschend hatte er gesehen, wie Wittelsbach immer kleiner zersplitterte. Hochfahrend hatte er sich gebäumt gegen alles Reden und Tun seines Vaters, der nicht Faust und Schenkel hatte, dieses edle, nervenfeine, widerspenstige Roß Wittelsbach zu zähmen. Oh, er, Prinz Friedrich, hatte Griff und Gefühl dafür, er wird es zwingen.
    So trat er, schlank, stolz, feindselig, voll heimlicher Verachtung vor seinen Vater. Herzog Stephan liebte diesen seinen Prinzen mit tiefer, zerspalteter Liebe. Er hielt ihn für begabter und begnadeter, als er selber war, sah in ihm seine Erfüllung, liebte sogar seine Raschheit, seinen Jähzorn, seine Hoffart. Aber er konnte sich nicht halten, wenn der Junge zu frech gegen ihn aufbegehrte; es kam immer wieder zu wilden Ausbrüchen zwischen ihnen.
    Stephan eröffnete dem Prinzen in kurzen Worten, soldatisch knarrend, Markgraf Ludwig sei plötzlich gestorben, er werde jetzt zur Bestattung nach München reiten und gedenke, etwa acht bis zehn Tage zu bleiben. Friedrich solle inzwischen in Landshut Siegel und Geschäfte führen, in wichtigeren Fragen ihm Kuriere nach München schicken. Friedrich überlegte. Noch nie hatte ihm der Vater so viel Verantwortung überlassen: was stak dahinter? Er maß ihn mißtrauisch. Ah, der Herzog fürchtete seinen Einfluß auf Meinhard, wollte allein nach München, Meinhard von ihm abdrängen, ihn dort ausschalten.
    Er warf den Kopf zurück, glitt mit raschen, braunen Augen über den Vater, sagte hochmütig, er denke nicht daran, in so schwerer Stunde seinem Freunde Meinhard fernzubleiben, er werde selbstverständlich auch nach München reiten. Es waren noch zwei oder drei Herren im Zimmer, auch ein Knabe Kämmerling.
    Herzog Stephan schwoll an, fragte heiser, ob der Junge verrückt sei. Die andern standen großäugig, gestreckt von Erwartung. Friedrich sagte, er sei wohl bei Sinnen; jeder anständige Fürst und Herr müsse ihn verstehen, ihm beistimmen. Der Herzog klirrte drohend auf ihn los. Der Junge stand zunächst, dann wandte er sich, wischte hinaus. Warf sich – niemand wagte ihn zu halten – auf ein Pferd, jagte davon, nach Süden, nach München.
    Der Herzog lachte, zuerst ärgerlich, dann wohlgefällig. Seine Herren, froh über diese Lösung, lachten mit. »Ein Teufelsjunge, der Friedrich !« sagte der Herzog. »Ein Teufelsjunge, der durchlauchtigste Prinz !« wiederholten seine Herren.
    Aber dann, langsam, verfinsterte sich Stephan wieder. Den eigenen Sohn kann er nicht halten. Wie soll er das ganze bäumende Wittelsbach kleinkriegen?
    Er stieg zu Pferde. Schwer mit großem Troß ritt er die Straße, die Prinz Friedrich vorangejagt war.
    Dem jungen Meinhard machte der Oberjägermeister, Herr von Kummersbruck, Mitteilung von dem Tod seines Vaters. Er tat dies sehr vorsichtig, umwegig. Verlorene Mühe. Der Achtzehnjährige begriff durchaus nicht, so daß Herr von Kummersbruck schließlich schlicht und geradezu erklären mußte: Der Markgraf ist tot.
    Meinhard schaute ihn verblüfft aus großen, runden, treuherzigen Augen an, wälzte die Nachricht in seinem gutmütigen, dicken Kopf, schwitzte. Er wußte durchaus nicht, welche Folgen dieses Ereignis haben konnte, was er mit ihm anfangen sollte. Er war nun Herzog.
    Das war vermutlich sehr anstrengend, brachte Arbeit, Ungelegenheiten. Er hätte sich als kleiner Landbaron viel behaglicher gefühlt. Eigentlich war es wohl traurig für das Land und für alle, daß sein Vater tot

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