Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
nie.»
Die Christbaum-Plantage entpuppt sich als Mini-Weihnachtsmarkt. In einer ehemaligen Scheune werden bereits gefällte Bäume sowie Christbaumschmuck und heiße Getränke angeboten. An den vier Adventssonntagen kann der Kunde sich sogar mit Würstchen vom Holzkohlengrill stärken, wie eine Tafel verrät.
Vom Bauern erfahren wir, dass er nur wenige Coloradotannen angebaut habe, da diese edle Spezies im Verhältnis teuer und deshalb nicht sehr gefragt wäre. Die schönsten und größten seien so kurz vor dem Fest leider ausverkauft, respektive vorbestellt. In der gewünschten Zimmerdeckengröße gäbe es leider nur noch günstige Randbäume, die dem Wetter mehr ausgesetzt waren und daher nicht ganz so perfekt gewachsen wären. Zu denen würde er uns wegen der Dunkelheit gerne führen.
Die Aussicht, in Kürze ihre Traumtanne – selbst eine wettergegerbte – in Augenschein nehmen zu können, lässt Katja vor Aufregung strahlen.
Bernds Gesicht strahlt bei dem Wort
günstiger
– kein Wunder, nachdem er bereits in zwei Bäume investiert hat.
Friedrich freut sich, den richtigen Tipp gegeben zu haben, und nimmt es gerne in Kauf, Churchill tragen zu müssen, damit er keine Markierungen absetzt.
Nur die Jungs ziehen einen Flunsch, weil sie den Hund ans Herrchen abgeben müssen. Erst die Aussicht, auf dem Rückweg wieder mit ihm spielen zu dürfen, versöhnt sie.
Bernd, bewaffnet mit Säge und Taschenlampe, folgt dem Bauern, und wir trotten den beiden durch romantisch-schneebedeckte Baumreihen hinterher. Trotz der Dämmerung sind die Tannenbäume nicht vollkommen schwarz, denn die weiße Pracht sorgt für etwas Helligkeit.
Unterwegs zeigt Katja mehrmals auf den einen oder anderen Baum, an denen Reservierungsschilder hängen, die begehrliche Seufzer auslösen. «Schade, dass wir erst so spät von dieser Plantage erfahren haben», flüstert sie mir zu.
«Nächstes Jahr schaust du einfach schon mal im Oktober hier vorbei und reservierst dir ein Exemplar», entgegne ich und ernte ein heftiges Nicken.
Am Ende der Baumreihe angekommen, bietet der Bauer eine etwa zwei Meter große Tanne an, die für mein Empfinden sehr schön gewachsen ist. Nur auf der Wind und Wetter zugewandten Seite sehen die Zweige ziemlich zerrupft aus. Na, ob Katja so einen mickrigen Baum akzeptiert.
«Gekauft!», sagt Katja trotzdem. «Und die etwas weniger perfekte Seite drehen wir einfach zur Zimmerecke.»
Ich atme erleichtert auf, das glückliche Ende ist in greifbare Nähe gerückt. Der Bauer zieht einen Zollstock aus dem Mantel, misst die Höhe und nennt einen moderaten Preis. Aber der interessiert Katja so sehr wie rosa Plastikchristbäume. Bernd stößt einen erlösenden Schnaufer aus und zahlt an Ort und Stelle. Bevor sich der Bauer verabschiedet, gibt er Bernd noch den Tipp, zuerst die unteren dürren Stammäste mit der Axt zu entfernen, dann wäre das Absägen in fünf Minuten erledigt.
«Wird gemacht», bedankt sich Bernd.
Der große Moment ist gekommen. Die gesamte Mannschaft starrt gespannt auf Bernd, der sein Werkzeug ablegt, in die Hände spuckt und mit weit ausholender Geste zur Axt greift.
«Attacke!», jubelt er, schwingt die Axt und lässt sie wieder sinken. «So geht das nicht, jemand muss die schönen Äste nach oben drücken.»
Ich biete meine Hilfe an, doch Jan schreit begeistert: «Ich, ich, ich … Ich bin sson groß, das ssaffe ich … Darf ich, Mama?»
«Meinetwegen», genehmigt Katja mit gierigem Blick auf
ihre
Tanne, die sie offensichtlich so schnell wie irgend möglich nach Hause schleppen möchte. Doch als Jan mit vollem Körpereinsatz die Zweige hochbiegt und Bernd wieder mit der Axt ausholt, scheint ihr Beschützerinstinkt Schreckliches vorauszusehen. Entsetzt schreit sie: «Stooopp!», eilt zu Jan, schiebt ihn zur Seite und legt selbst Hand an. «Aber genau zielen, damit du mir nicht aus Versehen die Hand abhackst», fordert sie.
«Was denkst du denn?», grinst er. «Ohne Hände kannst du mir doch keine Weihnachtsgans braten.»
Unvermittelt fängt Eric zu weinen an.
Augenblicklich lässt Katja die Zweige los, um sich ihrem Jüngsten zu widmen. «Warum weinst du denn, mein Schatz?»
«Weil …», schluchzt er und klammert sich an Mamas Hals. «Papa … deine Hände … abhacken will …»
«Aber nein, mein Schatz, das hast du falsch verstanden», tröstet sie ihn.
Der große Bruder lacht. «Baby, Baby …»
«Dann ist es wohl klüger, wenn ich den Job übernehme», sage ich, werde aber
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