Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
von Friedrich zurückgehalten.
«Nein, Ursel, das ist Männerarbeit!» Er drückt mir den Hund in die Arme. «Hätte ich Dussel eigentlich sofort anbieten sollen.» Damit schreitet er zum Baum und greift beherzt in die Zweige.
Katja, die Kinder und ich mit Churchill im Arm treten etwas zur Seite und beobachten die Aktion aus sicherer Entfernung.
Nach einigen ungenauen Axthieben, die zu unser aller Erleichterung nur böse Kerben in den Waldboden schlagen, fällt der erste Zweig. Nach weiteren vier kraftvollen Hieben wird der Stamm so weit sichtbar, dass Bernd meint, er könne nun die Säge ansetzen. Friedrich ist ihm auch hierbei behilflich. Nach wenigen Minuten ist der Stamm dann auch tatsächlich durchtrennt. Es knackst. Die Herren «Holzfäller» springen zur Seite – und der Baum fällt. In die falsche Richtung. Nämlich in die Nachbarbäume, wobei die wunderschöne lange Spitze abknickt.
«Musste das sein?», jammert Katja. «Wie sollen wir denn jetzt den Engel draufsetzen?»
«Mist!», stöhnt Bernd. «Das war doch keine Absicht.» Er kratzt sich am Kopf. «Ich könnte oben ein paar Zweige absägen, dadurch entsteht eine neue Spitze», schlägt er dann vor.
«Untersteh dich», warnt Katja. «Wir wollen ihn erst einmal zu Hause aufstellen, dann kann man beurteilen, wie er aussieht. Zweige entfernen können wir immer noch.»
«Na dann tragen wir ihn zum Wagen», schlägt Friedrich vor.
Er und Bernd schultern den Baum. Weil er aber doch ziemlich lang ist und Katja offensichtlich fürchtet, ihr Traum von einem perfekten Christbaum könnte noch auf den letzten Metern platzen, übernimmt sie die Position an der empfindlichen Baumspitze.
«Immer geradeaus, im Gleichschritt marsch», befiehlt Bernd mit dem vergnügten Ton eines Mannes, der die größte Herausforderung des Jahres erfolgreich bewältigt hat.
Ich trabe mit den Kindern und Churchill, der müde in meinen Armen liegt, hinterher. Unterwegs beginnt es wieder zu schneien, was der Weihnachtsstimmung den Klischeedeckel aufsetzt. Ansonsten erreichen wir den Wagen ohne Hindernisse oder Zwischenfälle, und ich kann Churchill endlich den Kindern übergeben. Was für eine Erleichterung. Nach streikendem Navi, Autopanne und falschem Weg hat das Baumdrama tatsächlich ein glückliches Ende gefunden.
An der Scheune verpackt der Bauer den Baum noch für den Transport in ein Plastiknetz – und alles ist gut!
Fast alles!
Denn Bernd hat nicht daran gedacht, dass er Gurte oder sonst irgendetwas benötigt, um die Coloradotanne auf dem Dachgepäckträger festzubinden. Der Bauer kennt das Problem. Aber er kann helfen. Und zwar mit einem langen Seil – das er grinsend gegen einen winzigen Unkostenbeitrag von 10 Euro anbietet. Clever.
Doch Hauptsache, Katja ist happy. Sie strahlt wie der Weihnachtsstern persönlich, während sie diese wichtige Aktion überwacht, sämtliche Knoten dreifach kontrolliert, bevor sie ihren Segen erteilt und zu Bernd in den Wagen steigt. Die Jungs wollen lieber mit dem Hund zu Friedrichs Hütte laufen. Dort erwartet uns eine kleine Stärkung, und ich kann endlich in meinem neuen Kaschmirpulli am prasselnden Kaminfeuer sitzen. Die Kinder sausen mit Churchill hin und her, der nach Schneeflocken schnappt. Ich schlendere an Friedrichs Arm durch den anhaltenden Schneefall.
«Ich danke dir, Friedrich, dass du Katjas Weihnachten gerettet hast», seufze ich erleichtert. «Sozusagen in letzter Minute.»
«Kleinigkeit», wehrt er nonchalant ab und drückt fast unmerklich meine Hand. «Aber um ehrlich zu sein, träume ich immer noch von einem
etwas anderen
Fest.» Er blickt mich kurz an. «Und damit meine ich nicht Roberts launige Xmas-Party, wenn du verstehst.»
«Das wäre mir auch viel zu hektisch», entgegne ich lächelnd.
Am Wochenendhaus angekommen erwarten uns Katja und Bernd. Katja steht neben dem Wagen, die Hand beschützend auf ihrem Baum. «Kann der auch nicht geklaut werden, während wir Kaffee trinken?»
«Du übertreibst mal wieder», sagt Bernd.
«Wie immer», setze ich noch eins drauf, und zu meinem Erstaunen lacht sie nur.
Friedrich beruhigt sie. Kein Mensch würde sich in diese Abgeschiedenheit verlaufen, und bei Dunkelheit sei die Abzweigung von der Landstraße nicht zu erkennen.
«Wie wir, respektive ein dusseliger Fahrer, vorhin selbst erlebt haben», bestätigt Bernd mit einer Portion Selbstironie.
Damit ist das Thema erledigt, und Friedrich schließt die Haustür auf. Die Jungs wollen noch eine Weile mit dem
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