Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
supersüße Geschichte vom armen Schokoschwein und seinen Freunden …» Sie stellt ihre Stiefel zur Seite. «Wie habe ich die geliebt … Ach, und Klaus Havenstein, den Sprecher … Seine Stimme gehört für mich unbedingt zu Weihnachten wie …»
«Der perfekte Christbaum!», krächzt Bernd, der mit schräger Grimasse immer noch den Krückenbaum festhält und offensichtlich einen Lachanfall unterdrücken muss.
«Was auch immer. Aber das da …», ich blicke verächtlich auf dieses erbarmungswürdige, nadelnde Etwas, «ist jedenfalls kein perfekter Tannenbaum. Gab’s den zum Schnäppchenpreis?»
«Den gab’s sogar geschenkt», antwortet Katja. Sie nimmt die Findelgans wieder an sich und schildert die dramatische Jagd nach dem vierten Tannenbaum. Oder ist es schon der fünfte? Ich hab die Übersicht verloren.
Bernd übergibt mir die Tanne, damit er seine Garderobe ablegen kann. «Die meisten Händler hatten ja längst dichtgemacht. Aber schließlich haben wir noch eine Händlerin erwischt, die den da gerade zerschneiden wollte. Nachdem sie unsere Story gehört hat, standen ihr Tränen in den Augen, und sie hat uns die Tanne dann aus Mitleid geschenkt.»
Mitleid mit dem Baum oder dem Pärchen, frage ich mich und warum eigentlich keiner mit mir Mitleid hat. Seufzend ergebe ich mich dem Unausweichlichen und öffne die Wohnzimmertür. «Na dann, rein damit!» Offensichtlich gibt es kein Entrinnen.
Wenigstens haben die Kinder inzwischen nichts angestellt, sitzen unverändert brav auf dem Sofa und lauschen dem fröhlichen Lied
Schneeflöckchen, Weißröckchen
, das sich ebenfalls auf der Kassette befindet. Beim Anblick ihrer Eltern springen sie vergnügt auf. Eric verheddert sich dabei in der Decke und stolpert. Bernd lässt den Krückenbaum fallen, um seinen Sohn vor was auch immer zu retten. Hat der Baum die Hälfte seiner Nadeln bereits im Flur verloren, bröselt nun auch noch der traurige Rest ab. Eric steht wieder auf sicheren Beinen, und Bernd befördert die Tanne zurück in die Horizontale.
«Dieses Jahr feiern wir mal bei Oma», verkündet Katja.
«Waruuuhum?», will Eric wissen.
«Weil Oma auch sooo gerne mal einen Baum in ihrer Wohnung haben möchte», erklärt Katja, ohne mit der Wimper zu zucken.
Ich
möchte einen Baum? Da springt doch die Gans aus der Bratraine. Wütend schnappe ich nach Luft, um meiner weihnachtssüchtigen Tochter nicht die Meinung zu geigen oder zu zerplatzen.
Jan baut sich neben dem Baum auf und betrachtet ihn zweifelnd. «Das ist aber ein gaaanz sseußlicher Christbaum», stellt er dann ungerührt fest.
Tja, Kindermund …
«Nein, nein, das ist genau der, den wir aus dem Wald geholt haben», schwindelt Katja, als habe sie sich die Ausreden schon zurechtgelegt.
«Er ist ja noch gaaa nicht gessmückt!», beschwert er sich.
Katja sendet mir einen hilfesuchenden Blick.
«Der Weihnachtsmann hat wahnsinnig viel zu tun und es einfach nicht mehr geschafft», fabuliere ich.
Eric nickt mir verständig zu. «Der is auch im Superweihnachtsstress wie du, Oma, gell?»
«Genau!», bestätige ich nur zu gerne. «Und deshalb dürft ihr den Baum jetzt selber schmücken.»
Ich ernte ein dankbares Nicken von Katja und stürmische Begeisterung von den Kindern.
Aber bevor sie beginnen können, befestigen Bernd und Katja die Tanne im Ständer. Dann geht’s los. Nicht ohne Streitereien, wie man sich vorstellen kann. Wer darf welche Kugel wo zuerst aufhängen? Das Problem ist schnell gelöst, denn der größere Jan reicht weiter hinauf als Eric. Zum Ausgleich darf der Kleine die großen Kugeln an den unteren Zweigen verteilen und Jan die kleineren drüber. Mama und Papa reichen die Kugeln an und dirigieren möglichst unauffällig die Verteilung. Ich verzichte freiwillig und beobachte das Ritual lieber von der Küche aus, wo ich mich inzwischen um die Gans und das geräucherte Forellenfilet kümmere, das wir später verspeisen werden.
17 . 00 Uhr «Omaaa, der Christbaum ist fertig!», schreien die Jungs pünktlich mit eintretender Dunkelheit.
«Heiliges Weihnachtsglö…» Der Rest bleibt mir vor ungläubigem Staunen im Hals stecken. Jetzt biegen sich die dürren Äste zwar unter einer unüberschaubaren Menge Kugeln, Engelshaar und sonstigem Glitzerkram, aber die Nadeln muss man mit der Lupe suchen. Die paar, die vor dem Schmücken noch übrig waren, haben sich offensichtlich während des Dekorierens verabschiedet. Unschwer am Nadelteppich zu erkennen, der nun meinen
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