Die Häupter meiner Lieben
fühlte sie sich ebenfalls eingeladen. Sie hatte ohne Probleme unser Gespräch verstanden und das auch nicht verheimlicht. Cora, die sich in der Öffentlichkeit noch nicht bei Vergnügungen zeigen wollte, blieb als Babysitter zurück. Emilia genoß die Musik.
Die Obduktion hatte erwartungsgemäß ergeben, daß Henning an den Folgen einer schweren Schädelverletzung gestorben war, aber auch, daß er eine unglaubliche Menge Alkohol konsumiert hatte. Mein Vater war inzwischen mittels Dolmetscher im Krankenhausbett verhört worden; er gab zu, daß er im Suff zugeschlagen habe. An Details konnte er sich nicht erinnern. Da er haft- und transportunfähig war, blieb er vorerst in der Klinik. Die Rechnung hatte Henning regelmäßig bezahlt, nun tat es Cora.
Hennings Beerdigung fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, es gelang uns, den Termin geheimzuhalten. Cora wollte nicht schon wieder als schwangere Witwe in der Zeitung erscheinen. Auf dem Friedhof zeigte uns Emilia das Grab ihres deutschen Archäologen, der sie anscheinend durch Tod und nicht aus Treulosigkeit verlassen hatte. Dr. Albert Schneider lasen wir.
Komplizierter erwiesen sich die Erbschaftsformalitäten.
Zwar durfte Cora ziemlich rasch über das Bankguthaben verfügen, aber das reichte bei unserem Lebensstil nur für ein paar Monate. Die Handwerkerrechnungen für das Atelier waren saftig. Henning besaß hier ein paar Aktien, dort ein paar Häuser, war beteiligt an einem Transportunternehmen und hatte immer noch sein Baugeschäft; alles war jedoch verstreut und unübersichtlich angelegt. Es war gut, daß Friedrich sein Examen in den USA hinter sich, aber noch keine Anstellung in Deutschland gefunden hatte. Er erwog, zuvor seine Doktorarbeit zu schreiben. Jedenfalls hatte er Zeit und Lust, sich um Coras Vermögen zu kümmern. Ein Testament lag nicht vor, und Erbberechtigte hatten sich nicht gemeldet. Im Grunde war Cora durchaus in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu erledigen, sie sprach zudem besser Italienisch als ihr Bruder. Aber sie malte im Augenblick wie eine Besessene, und es war ihr recht, wenn ihr Friedrich Unangenehmes abnahm. Sie erkannte wohl, daß er eigentlich nur meinetwegen blieb, aber zur eigenen Entlastung das Alibi des Helfers vorschützte. Im übrigen gefielen mir Coras Bilder immer weniger, aber über ästhetische Gesichtspunkte konnte man nicht mit ihr reden; sie hatte einen morbiden und ich einen hochempfindlichen Geschmack.
Jonas rief einmal an. Er war mitten in den Erntearbeiten, hatte Sehnsucht nach Béla Barthel und mir und bat mich zurückzukommen. Ich konnte ihm glaubhaft darstellen, daß Cora mich dringender brauche - man bedenke, ihr Mann war von meinem Vater erschlagen worden! Jonas war entsetzt. Ob er kommen solle, fragte er. Ich lehnte edelmütig ab, die Erntearbeiten seien wichtiger.
Lange dachte ich darüber nach, ob nicht auch Jonas froh war, mich los zu sein. War die Ernte wirklich so wichtig? War es nicht egoistisch von Jonas' Mutter, ihren Sohn so stark zu verpflichten, daß er sein eigenes Familienleben aufgeben mußte? Aber wahrscheinlich war es für diese Frau eine Selbstverständlichkeit, daß ich mich nach Jonas' Wohnsitz zu richten hatte und nicht umgekehrt.
Wir regelten unseren Tagesablauf neu. Vormittags nahm ich Fahrstunden und besuchte einen Italienischkurs an der Universität. Cora nahm Malunterricht bei einer Privatlehrerin, die ins Haus kam. Sie malte so leidenschaftlich, daß ihr durch die Druckstelle des Pinsels eine stattliche Warze am rechten Mittelfinger wuchs. Friedrich kümmerte sich ums »Vermögen«, wie er sagte, tat auch zuweilen praktische Arbeiten im Garten und installierte mehrere Ventilatoren. Emilia hütete Béla und Pippo. Nachmittags war ich für den Kleinen da, wobei mir Friedrich nicht von der Seite wich. Cora kochte, und Emilia machte je nach Laune Hausarbeit oder faulenzte. Es war ein angenehmes Leben, und wir begannen nach vier Wochen, den Vorfall in der Küche zu verdrängen.
Manchmal kam es mir allerdings vor, als ob mein ganzes Leben eine einzige Verdrängung war. Ich besuchte meinen Vater nie allein im Krankenhaus, mir fehlte die Kraft, ihm ohne Begleitung gegenüberzutreten. Cora und Friedrich begleiteten mich einmal in der Woche, aber diese Besuche waren für alle peinlich, auch für Vater selbst.
Als ich meine Führerscheinprüfung bestanden hatte, feierten wir ein kleines Fest. Es gab noch mehr Erfolge, über die wir uns freuen konnten: Pippo schien
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