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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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fast stubenrein zu sein, Béla tat die ersten Schritte, Friedrich hatte ein Mietshaus in Rio anscheinend günstig verkauft, und Cora hatte ein männliches Modell für den Holofernes gefunden: einen Taxifahrer, der sich für diese Aufgabe geradezu begeisterte. Und Emilia hatte hervorragend gekocht: Kaninchen in Zitronenthymian, Tomaten und Zwiebeln. Dazu tranken wir toskanischen Weißwein.
    Früher hatte Emilia in der Küche gegessen, aber es war inzwischen selbstverständlich, daß sie mit uns zusammensaß. Beim Essen nahm sie keine Rücksicht mehr, sondern Kaninchenlende. »Ich will auch den Führerschein machen!« sagte sie.
    Wir schwiegen verblüfft. Dem Alter nach konnte sie gut und gern unsere Mutter sein, war es überhaupt möglich, daß man dann noch Fahrstunden nahm? Cora sagte freundlich: »Warum nicht? Aber andererseits fahren wir dich doch überall hin, wo du hinmöchtest.«
    Emilia bestätigte das, meinte aber, für sie sei es angenehmer, niemanden bitten zu müssen.
    »Stimmt«, sagte Friedrich, »dann kannst du früh zum Supermarkt fahren, wenn wir noch im Bett liegen.«
    »Es geht nicht bloß ums Einkaufen«, sagte Emilia, »ich habe Lust, meine Kusine in Falciano zu besuchen.«
    Wir schluckten, denn das bedeutete, daß wir wahrscheinlich einige Tage auf das Auto verzichten mußten. Cora sagte schließlich: »Ich habe neulich schon überlegt, ob wir nicht zwei Autos brauchen. Geld ist ja da.«
    Also meldete sich Emilia bei einer Fahrschule an, und ich übte mit ihr Theorie. Sie war dankbar für die Förderung und erzählte mir gelegentlich mehr über ihre Vergangenheit. Fünf Jahre hatte sie mit dem Archäologen ein Verhältnis, bis er starb. Es waren glückliche Jahre, denn zum ersten Mal versuchte jemand, sie als Persönlichkeit ernst zu nehmen. Sie gingen zusammen ins Konzert und ins Museum, sie lernte von ihm Deutsch und ein bißchen Französisch, er erzählte von dem Buch, das er schrieb, und war dankbar für ihre Freundlichkeit. Seitdem hatte Emilia mit der Kirche gebrochen und ein Faible für alles Deutsche, aber auch Sehnsucht nach einer Wiederholung dieser Idylle. Sie habe sich immer eine Familie gewünscht, sagte sie, aber es habe nie geklappt. Mit uns sei sie jetzt glücklich.
     
    Coras Eltern hatten im September in Colle di Val d'Elsa Urlaub gemacht und kamen uneingeladen auf dem Rückweg vorbei. Offensichtlich wollten sie mit eigenen Augen sehen, was Friedrich ihnen mitgeteilt hatte: Ihre kleine Tochter war über Nacht eine reiche Witwe geworden.
    Cora mußte es sich gefallen lassen, daß nun ihr Vater Einblick in die Finanzen verlangte, daß ihre Mutter Emilia wegen verdreckter Fenster ansprach und daß man ständig mahnte, das Geld nicht gleich zum Fenster hinauszuwerfen. Cora wurde zornig. »Genau das ist der Grund, warum ich euch nicht bei mir haben will! Ich weiß schließlich selbst, was ich zu tun habe. Was habe ich mir denn von dem großen Geld bisher gegönnt? Ein Trauerkleid, einen Kranz fürs Grab! Noch nicht einmal ein zweites Auto! Im Gegenteil, mit Henning sind wir täglich essen gegangen, seit Wochen koche ich höchstpersönlich!«
    Sie hatte recht. Es war nicht ihr Plan, das Geld für unvernünftigen Luxus auszugeben. Cora wollte nur tun, was ihr Spaß machte: malen, ein schönes Haus in einer schönen Stadt besitzen, ihre Freunde um sich haben. Sie dachte nicht an echten Schmuck, an weite Reisen, an Modellkleider, und auch das Zweitauto hielt sie erst für erforderlich, wenn Emilia wirklich fahren konnte.
    Auch Emilia war nicht unbescheiden oder gar unverschämt. Schweigend putzte sie die Fenster, schrubbte den Küchenboden und bezog die Betten, damit Frau Schwab nichts mehr zu meckern hatte. Aber sie aß mit bei Tisch, ein Professor konnte ihr dieses Recht nicht mehr nehmen.
    Mein inniges Verhältnis zu Friedrich wollte ich zwar vor seinen Eltern nicht herauskehren - ich schämte mich ein wenig-, aber sie hatten die Sachlage erkannt. Es gefiel ihnen nicht, daß ich Jonas betrog. Friedrich war ein Herz und eine Seele mit mir, wir lachten und alberten wie Kindsköpfe, aber er erwähnte Jonas nie. Ich erwog, mich scheiden zu lassen. Aber wir waren kirchlich getraut, und für Jonas galt die Ehe als heilig und unauflösbar.
    Als Coras Eltern nach vier Tagen zurück nach Deutschland fuhren, waren wir erleichtert, obgleich wir sie gern hatten. »Alles Bingo«, sagte Cora.
    Und Schwabs, die eine deprimierte und trostbedürftige Tochter erwartet hatten, konnten die heitere

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