Die Häupter meiner Lieben
müssen dringend mit Emilia reden«, sagte Cora, »es ist dir hoffentlich klar, daß sie uns erpressen kann. Außerdem habe ich nicht alles gehört, was sie den Polizisten erzählt hat. Im übrigen bin ich jetzt reich; wir können Pläne machen, aber nach außen müssen wir verhalten wirken.«
Emilia erwartete uns, Béla schlief. Sie griff nach Coras Zigaretten, ohne lange zu fragen. Anscheinend hatte sie die Lage begriffen. Aber als sie zu reden begann, konnten wir erleichtert sein. Emilia hatte uns in allem gedeckt und stellte keine Forderungen. »Das Ende vom Schwein ist der Anfang der Wurst«, sagte sie. Wir tranken gemeinsam Espresso und Grappa, rauchten und putzten schließlich die Küche. Als Béla wach wurde und seinen Brei verlangte, kehrte sogar eine gewisse Normalität ein; wir versuchten, unsere zittrige Nervosität und Fahrigkeit vor dem Kind zu verbergen und machten die üblichen kleinen Babyscherze. In der Mittagshitze legten wir uns alle aufs Bett, aber Cora und ich fanden keinen Schlaf, sondern flüsterten weiter.
»Ich habe das dumme Gefühl, daß wir noch lange nicht über den Berg sind«, sagte Cora, »es ging alles zu glatt. Dein Vater wird wieder herkommen, falls er nicht ins Gefängnis gesteckt wird. Und Emilia traue ich überhaupt nicht, sie ist für ein altes Dienstmädchen viel zu clever. Sie hat von Anfang an eine Menge Deutsch verstanden und es sich nicht anmerken lassen; was sollte sie für einen Grund haben, uns zu helfen, wenn nichts für sie herausspringt?«
»Stimmt. Wir müssen ihr ein Angebot machen. Hast du eine Ahnung, wieviel Geld du erbst?«
»Nein, so plump habe ich mit Henning nicht über sein Vermögen geredet. Aber ich weiß, daß er zumindest Mietshäuser in Rio besitzt. Übrigens wollte sich Emilia einen Hund zulegen, weil sie das bei ihrer früheren Herrschaft nicht durfte. Henning hat es auch nicht erlaubt. Jetzt soll sie einen haben, auch wenn es nur eine noble Geste ist.« Ich sah Béla mit einem Hund herumtollen, was mir allemal lieber war als mit Kühen und Schweinen. Cora fuhr fort: »Aus reinem Instinkt habe ich neulich mit Ruggero Schluß gemacht, so daß der Gott sei Dank nicht hier auftauchen wird.«
»Ich dachte, es war so toll mit ihm?«
»Zweimal ja, dann ließ es schon nach. Der arme Junge hat sich in mich verliebt, für pubertäre Romantik habe ich keinen Nerv.«
»Manchmal glaube ich, du warst noch nie verliebt.«
»Kluges Kind. Vielleicht bin ich nicht wie du. Eigentlich finde ich Frauen viel liebenswerter als Männer, andererseits habe ich leider keine lesbische Ader.«
»Aber es gibt wunderbare Männer, denk nur an deinen Vater!«
»Das ist vielleicht der Knackpunkt. So einen wie meinen Daddy kriege ich sowieso nie.«
»Mein Gott, du hast einen Idealvater und bist verkorkst, was soll ich denn sagen bei meinem verlotterten Erzeuger?«
Nun lachten wir und machten uns über unsere lang zurückliegende Psychotherapie lustig. Als wir in der Küche wieder mit Emilia zusammentrafen, fielen wir alle drei über die Eisvorräte in der Kühltruhe her.
Emilia wiegte Béla in ihren Armen. »Morgen früh, so Gott will, wirst du wieder geweckt«, sang sie.
Mir gefielen diese Worte aus ihrem Munde auf einmal nicht mehr. War es richtig, daß ich ihr mein Kind so bedenkenlos anvertraute? Hatte sie begriffen, daß ich Henning erschlagen hatte, oder dachte sie, wir wollten ihm nur einen Denkzettel verpassen? Offensichtlich hatte sie ihrerseits nicht auf meinen Vater eingedroschen, wie ich anfangs geglaubt hatte. Dabei besaß sie mehr Kraft als wir, es wäre kein Problem gewesen.
Cora fuhr mit dem Wagen davon, um sich stilvolle Witwenkleider zu kaufen, und nahm Emilia mit, um sie beim Supermarkt abzusetzen. In den nächsten Tagen wollten wir zu Hause essen. Cora wurde beim Verlassen des Hauses von einem Fotografen erwischt. Am anderen Morgen war ihr Bild groß in der Zeitung: Brasilianischer Millionär von deutschem Saufbruder erschlagen. Die schöne junge Witwe trägt sein Kind unterm Herzen. Davon war kein Wort wahr.
Ich war allein mit meinem Kind, als die Klingel läutete. Zuerst erwog ich, nicht zu reagieren, denn polizeiliche Verhandlungen waren mir ohne Coras Gegenwart nicht geheuer. Aber ich öffnete doch, man sollte kein schlechtes Gewissen voraussetzen.
Coras Bruder Friedrich stand vor mir.
Lange hatte ich ohne Mann gelebt, stets allein im Bett. In dieser Hinsicht fehlte mir Jonas, schließlich war ich jung und gerade in diesen Tagen
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