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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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mir den Platz zu tauschen, obwohl sie sonst nur ungern das Steuer aus den Händen gab und kein großes Vertrauen in meine Fahrkünste setzte. Dabei fuhr ich besser als sie, ruhiger und ohne den Wahn, jeden anderen Wagen überholen zu müssen.
    Als wir spät am Tag ankamen, war ich erschöpft, Emilia grantig und der Rest der Gesellschaft ausgeglichen und heiter. Emilia machte sich gleich daran, den Herd anzuheizen, Wasser aufzusetzen, auszupacken, dem Kind und Pippo Essen zu bereiten; dabei murmelte sie unentwegt Flüche und Verwünschungen. Cora zeigte Don das Haus. Ich fand einen Brief von Friedrich. Weder Jonas noch er war anwesend, was ich eigentlich auch nicht erwartet hatte.
    Friedrich schrieb an Cora und mich gemeinsam. Der Ton war vorwurfsvoll. Er sei nach Deutschland gefahren, weil er Antwort auf verschiedene Bewerbungsschreiben erhalten habe und sich persönlich vorstellen müsse. Gut, das mußte ja irgendwann kommen. Nun wurde es heikler: am ersten Abend, nachdem wir abgehauen waren, hatte er mit Jonas eine Aussprache gehabt, die anscheinend in einem Besäufnis endete.
    Jedenfalls hatte Friedrich seinem Mitzecher reinen Wein eingeschenkt und ihn über seine Beziehung zu mir aufgeklärt. Jonas war noch in der Nacht, betrunken wie er war, zurückgefahren. Ich war entsetzt; auf diese Weise hatte Jonas das nicht erfahren sollen, ich war ihm Ehrlichkeit schuldig.
    Zum Schluß schrieb Friedrich, daß mein Vater noch nicht beerdigt sei. Erstens sei das meine Sache, zweitens habe er weder eine Vollmacht noch Geld und genauere Angaben erhalten, wo und auf welche Weise Vater begraben werden sollte. Der Verstorbene sei tiefgekühlt zwischengelagert, wofür aber Miete zu zahlen sei. Außerdem war eine gesalzene Krankenhausrechnung gekommen. Mir blieb nichts erspart. Unter der Post lagen weitere Briefe, die Arbeit machten - Erbschaftsregelungen, Formulare und dergleichen. Ich stöhnte laut.
    Emilia hatte wenig Mitleid mit mir, sondern forderte mich auf, den Hund in den Garten zu lassen und meinem Sohn das Feuerzeug aus dem Mund zu klauben. Schließlich kam Cora vergnügt und ohne Don zurück in die Küche. Sie habe ihn in die Badewanne geschickt. »Soll er etwa zum Essen bleiben?« fragte Emilia zornig.
    »Mein Gott«, sagte Cora leicht arrogant, »bei diesem Wetter würden wir selbst unsere rosa Wolke nicht auf die Straße schicken.«
    Emilia war beleidigt.
    »Lies mal diesen Brief«, bat ich Cora.
    »Später. Ich habe jetzt Hunger, und dann will ich malen. Ich habe unerhörte Lust, diesen Don zu skizzieren.«
    Als die Pasta fertig war, erschien auch der blitzblanke Don. Aus seinem Rucksack holte er indisches Handicraft und breitete seine Schätze vor uns aus. Er schenkte Cora einen Silberring mit Mondstein, mir einen falschen Rubin; ob wir Freundinnen hätten, die gern so etwas Schönes kaufen wollten, fragte er unschuldig. In der Sommersaison hatte er in Griechenland als Schwarzarbeiter etwas Geld verdient, aber es ging zur Neige. Ich verstand ihn schlecht, auch Cora hatte Mühe.
    »Könnt ihr Australier nicht anständig englisch sprechen?« fragte ich gereizt. Nun war er gekränkt, er sei kein Aussie. Dabei sah er mich so bitter an, daß ich meinen verletzten Jonas vor mir sah.
    »Er ist Kiwi«, belehrte mich Cora.
    Aus irgendeinem Impuls heraus umarmte ich Don. »Danke für den schönen Ring«, sagte ich.
    Cora warf mir einen warnenden Blick zu: Hände weg von Don! Emilia registrierte alles und häufte uns die Teller voll. Sie verstand kein Englisch und wollte uns durch gutes warmes Essen in einen friedlichen Zustand versetzen. Während Cora weiter mit Don plauderte, der dabei in unanständiger Eile aß, begann Emilia eine längere Debatte mit mir, ob es nicht Zeit sei, daß Béla seine ersten festen Schuhe bekäme. Nun hörte ich, daß Dons Eltern eine Apfelplantage besaßen, die er einmal übernehmen sollte. Schon wieder ein Bauer!
    Was war eigentlich mit mir los? Gefiel mir dieser Kerl wirklich? Don hatte mit seinen Eltern vereinbart, daß er nächstes Jahr treu und brav als Farmer arbeiten würde, aber bis dahin die Welt bereisen wollte. Wenn er knapp bei Kasse war, überwies man ihm eine kleine Summe. Nach dem Essen zeigte er uns chinesisches Schattenboxen, was vor allem Béla zum Lachen brachte. Don hatte viel gegessen, aber Emilia gönnte es ihm nicht. Sie zog sich früh in die Mansarde zum Fernsehen zurück, gegen sonstige Gewohnheit nahm sie Béla nicht mit.
    Cora sagte auf deutsch: »Ich habe viele neue

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